Mother’s Finest – Mother Factor
Eine exzellente Band am Scheidewege: Perfekter, routinierter sind sie geworden, doch zugleich ist damit ein Stückchen jenes erfrischenden Ungestüms verloren gegangen, das die beiden ersten LPs weitgehend auszeichnete. Das schwarz-weiße Sextett Mother’s Finest steht nach „Mother Factor“ vor der Entscheidung, entweder zurück zum Rock-Soul zu kehren (wie wär’s mit ’ner Live-LP?) oder den auf der vorliegenden Platte angedeuteten Trend weiter zu verfolgen: Typischer Soul der endsiebziger Jahre mit mancherlei Disco-Zitaten. Nur stellen sich die feinen Mütter damit freiwillig der Konkurrenz etwa von Chaka Khan’s Rufus oder gar der Commodores, deren aktueller Erfolg mit dem extrem langsamen und elegischen „Three Times A Lady“ offenbar bei den Müttern Spuren hinterlassen hat: „Love Change“ oder „I Can’t Believe“ fahren im gleichen Wasser.
Der Grund für Mother’s Finest Sinneswandel liegt in der Tatsache, daß man auf eine reißerische Leadgitarre weitgehend verzichtete und dafür keyboards-betonter spielt. Und damit, wie gesagt, verlassen die sechs ihren sicheren Posten unter den wenigen Soulrockem und treten ohne Not gegen gewichtige Konkurrenz an, wo sich der Käufer dann entscheiden muß: Nehme ich jetzt die Mütter oder beispielsweise die Commodores – eine Entscheidung, die für MF ungünstig ausfallen könnte. Nichtsdestotrotz ist „Mother Factor“ eine angenehme, zum Tanzen wie zum Hören geeignete Platte, auf der Sängerin Joyce Kennedy Vokalartistik zelebriert. Aber: Der Sensenmann des Disco-Soul äugt schon sehnsüchtig hinüber . . .