New York Dolls, Live From Royal Festival Hall :: 2004

Eigentlich wollte sich der britische Exil-Poet Stephen Morrissey in seiner Steuer-Enklave Beverly Hills nur einen riesigen Kindheitswunsch erfüllen: endlich alle Pop-Helden seiner Adoleszenz im desolaten Midlands-Malocher-Revier Manchester in einer Veranstaltung auftreten lassen. Da kam ihm 2004 die Aufgabe als Kurator beim alljährlichen, runde drei Wochen in der Londoner Royal Festival Hall stattfindenden Meltdown-Festival gerade recht: Sparks und Nancy Sinatra waren schnell überredet. Wesentlich schwieriger gestaltete sich das Unterfangen, die New York Dolls zu rekrutieren. Zwei Mitglieder, Schlagzeuger Jerry Nolan und Gitarrist Johnny Thunder, sind verstorben, der Rest, Sänger David Johannsen, Gitarrist Sylvain Sylvain und Bassist Arthur Harold Kane, in alle Winde zerstreut, seit sie sich vor rund drei Dekaden trennten. Doch Morrissey gelang das Unfassbare: Jenes bahnbrechende Ensemble, das sich in seinen Glanzzeiten mit den Nachwuchs-Formationen Aerosmith und Kiss das Management teilte, reformierte sich – ihm zu Ehren. Und die Welle, die der Ex-Smith-Sänger damit losgetreten hatte, mündete zwei Jahre später im offiziellen dritten Studio-Longplayer. Nun, der vorsichtshalber mal professionell mitgefilmte und um diverse Extras ergänzte Auftritt der um Thunders-Clone Steve Conte, Keyboarder Brian Koonin und Schlagzeuger Brian Delaney aufgestockten Original-Puppen war auch ein traumhafter, selbst wenn die reale Atmo im rotplüschigen Konzertsaal am Themse-Ufer tatsächlich noch um einige Grade prickelnder war. Das Beste aus den beiden Originalben von 1973 und 1974, darunter „Looking For A Kiss“,“.Personality Crisis“ und „Jet Boy . sowie einige Obskuritäten wie das unnachahmlich selbstironisch interpretierte“.In My Girlish Days“. die Thunders-Hommage“.You Can’t Put Your Arms Around A Memory“ oder das Soul-Blues-Cover „Another Piece Of My Heart kommen mit einer Intensität, Hingabe und Leidenschaft, wie sie der Nachwuchs heutzutage oft vermissen lässt. Doch der Neuanfang war auch ein Abschied: Der baumlange Kane, zuletzt in L.A.in einer christlichen Institution als Archivar tätig, verstarb keine zwei Wochen nach dem van ihm sehnlichst gewünschten Gig an Leukämie.

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