Patti Smith – Peace And Noise :: Kaltes Feuer

Jesus died for somebody’s sins but not mine“: ein Satz, den eine zornige 28jährige Frau einer aus den Fugen geratenen Welt vor die Füße spie. 1975 war das, und Patti Smiths Exorzismen kannten keine Grenzen. Sie machte vor nichts halt, nicht vor Dylan und nicht vor Rimbaud, nicht vor Jack Kerouac und nicht vor Jim Morrison. Als „Hohepriesterin des Punk“ verehrten sie alsbald Legionen von Fans. Groteske Fehleinschätzung einer Furie, die aus dem Untergrund ans Licht geklettert war, um der Sonne ihre Haßtiraden entgegenzuschleudern. Dieses kalte Feuer lodert immer noch in ihr. Immer noch – darin einzig Bob Dylan und Iggy Pop vergleichbar – ist sie eine Kerze, die an beiden Enden zugleich brennt. War GONE AGAIN von 1996 eine ergreifende Elegie, Musik gewordene Trauer um geliebte Menschen, so ist PEACE AND NOISE das Protokoll einer Überlebenden, der bittere Triumph über das Sterben. Ein Triumph auf Zeit allenfalls. Ihre Helden Allen Ginsberg und William S. Burroughs und Jeff Buckley, der sie auf GONE AGAIN begleitet hatte: Der Tod ist allgegenwärtig. Wer ist der Nächste? „If you believe all your hope has gone down the drain“, beginnt „Waiting Underground“, der Opener von PEACE AND NOISE. Die Worte prallen ab an Metallwänden, schießen kreuz und quer durch den Raum. Schlagzeug, Baß, Gitarren schüren eine hypnotische Hysterie, während sich die Schamanin in Trance singt. Die Musik – Verzeihung – rockt. R-O-C-K-T, und Patti Smith zetert, flüstert, schreit, deklamiert, schwelgt, stammelt sprachgewaltige Wortkaskaden über „Dead City“, „1959“, „Death Singing“, gönnt sich Pausen im Kampf mit ihren Dämonen allenfalls in der hymnischen Ballade „Blue Poles“ („We prayed for the rain and never wanted to see the sun again“) oder in den Zauberformeln von „Spell“ mit dem unablässig gemurmelten Mantra „holy, holy, holy“. Aus dem Rahmen fällt auch „Memento Mori“, ein Zehn-Minuten-Epos, das sich aus freien Strukturen mit einer mehr rezitierenden denn singenden Künstlerin (Johnny never went marching home“) zum Hexentanz im Minenfeld entwickelt, von der Band mit einem durchgeknallten, bis zur Erschöpfung um sich selbst kreisenden Doors-Beats befeuert. „Last Call“ zum Finale hat das Besänftigende, Zärtliche, Zuversichtliche eines Wiegenliedes, so als gäbe es tatsächlich noch so etwas wie Hoffnung. Und wenn es nur die vage Hoffnung wäre, Hand in Hand auf dem Vulkan tanzen zu können.