Phil Collins – Face Value

Phil Collins‘ erstes Soloalbum ist gleichzeitig (wer hätte das bezweifelt?) der interessanteste, solistische Ausflug eines Mitglieds der verbliebenen Genesis-Rumpfmannschaft. Und während Rutherford und Banks sich nicht vom Bandklischee lösen können, tut’s Collins umso radikaler, zudem auf einem anderen, als dem gewohnten Charisma-Label, damit erst gar keine Assoziationen in diese Richtung aufkommen.

Zuhause auf dem Lande hat er FACE VALUE vorbereitet, in LA. schließlich mit der Unterstützung von Gitarrist Daryl Stuermer, den Bassisten John Giblin und Alphonso John son, Geiger L. Shankar, der kompletten Earth, Wind & Fire-BLäsersektion und – vereinzelt – Stephen Bishop (Gesang), Joe Partridge (Slide-Gitarre), Ronnie Scott (Saxophon) und eines Streichorchesters und eines Kinderchorus, Eric Clapton nicht zu vergessen, aufgenommen.

„In The Air Tonight“, bereits als Single eine Nummer Eins auf der Insel, ist als Album-Track weit spannungsreicher instrumentiert. Der Schlagzeugeinsatz wird bis ins letzte Songdrittel verzögert, der Drum-Sound bricht mit den konventionellen Vorstellungen, wie ein Kid zu klingen habe. Wie Donnergetöse kommen die Breaks, Cymbals werden nicht eingesetzt. Vocoderfetzen, Gitarren-Loops a la Robert Fripp und eine Drum-Box schaffen eine elektronische Atmosphäre, die ein wenig an „Intruder“ erinnert. Aber deshalb zu behaupten, Collins habe bei seinem Ex-Bandkollegen Gabriel abgekupfert, wäre mehr als übertrieben. Die Grundstimmungen sind einfach zu grundverschieden. „This Must Be Love“ kommt dagegen ohne Schlagzeug aus, lebt von verhaltener Percussion und Johnsons fretless bass. Eine schone Ballade!

Die Überraschung des Albums ist Collins‘ neue Version von „Behind The Lines“ (ursprünglich auf Genesis‘ DUKE). Aus dem Keyboardgedöns wird ein durch scharfe Bläserchorusse bestimmter Funk. Geil! (sorry!) Szenenwechsel. „The Roof Is Leaking“ ist ein Stimmungsbild mit Grillengezirpe. Collins‘ markante (Un) Stimme erklingt zu Piano, Slide-Gitarre und Banjo (!). Ein Hauch von Romantik und Abenteuer. Instrumental dagegen „Droned“ mit seinen Tamboura-, Geigen- und Voice-Drum-Klängen mit fast meditativ-ruhigem Beginn und fast ekstatischem Ausklang. Bleibt auf der A-Seite die Collins’sche Konfrontation von elektronischer und akustischer Percussion und Kinderchor mit einer Bläsersektion. Ein erstaunliches, klangliches Spektrum. Für die A-Seite: 6

Doch jedes (schwarze) Ding hat seine zwei Seiten. Und leider hält die B-Seite nicht, was A verspricht, Trivial, allzu trivial, ist man geneigt zu sagen. Gut, „Thunder & Lightning“ und das beatlische „I’m Not Moving“ sind – mit Abstrichen – ok. Und der LP-Ausklang mit einer elektronischen Bearbeitung von „Tomorrow Never Knows“ und rückwärts eingespielten Geigen/Bläsen Chor-Spuren mit Collins‘ „Somewhere Over The Rainbow“-SingSang in der Auslaufrille, ist hörenswert. Aber „I Missed Aqain“ ist ein banaler Disco-Funk, „You Know What I Mean“ Edelkitsch mit Orchester und „H Leaving Me Is Easy“ eine langsame Nachtclubnummer zum Engtanzen mit einem Clapton an der Gitarre, den man klanglich nur schwer ausmachen kann. Für die B Seite: 2 Insgesamt: 4.