Placebo :: Box Set

Leitfaden zur Teenage Angst

Post Plink, Brit Pop: Rundumglücklichpaket für Quereinsteiger wie Fortgeschrittene. Mit acht CDs und zwei DVDs. Mit neuem Label im Rücken, neuem Schlagzeuger Steve Forrest im Line-up und dem sechsten Album BATTLE KOR THE SUN (siehe ME 6/09) auf Platz 1 der Charts stehen bei Placebo die Zeichen auf Sturm. Also genau der richtige Moment, um sich einen Blick zurück zu gönnen. Das BOX SET (THE HUT RECORDINGS) besteht aus fünf regulären Studioalben, drei Bonus-CDs mit B-Seiten, Coverversionen, Konzertmitschnitten und Raritäten sowie zwei DVDs. Offensichtlich nutzt der alte Vertragspartner EMI den Wirbel um das neue Album, um schnell ein bisschen Kohle zu machen. Trotzdem bietet die Box Quereinsteigern die Möglichkeit, zu einem angemessenen Preis den Placebo-Crashkurs zu absolvieren. Hart, schroff und schräg schrammen die Riffs auf dem Debüt PLACEBO, das zwei Jahre nach Gründung im Sommer 1996 das Trio um Sänger, Gitarrist, Komponist und Texter Brian Molko auf Anhieb in die Top 5 der UK-Charts bringt-wohl auch, weil sich Placebo mit ihrem harschen Off-Beat und Molkos nasal-mädchenhafter Stimme von Zeitgenossen wie Oasis unterscheiden. „Teenage Angst“ heißt der zweite Song – ein Thema, das sich als Leitfaden durch die zehn Tracks zieht. Fünf Singles koppelt das Trio Molko, Stefan Olsdal (bg) und Robert Schultzberg (dr) aus diesem Album aus. Zur heimlichen Hymne entwickelt sich die Noise-Attacke „Nancy Boy“ mit Anspielungen auf Rollenverhalten und Bisexualität. Zwei Jahre später gelingt Placebo mit WITHOUT Y01! IM NOTHING der Durchbruch außerhalb Englands. Die Band tauscht nicht nur Robert Schultzberg gegen Steve Hewitt aus, sondern auch expressive Post-Punk-Aggressionen gegen melancholische Post-Gothic-Impressionen. Ein rundes Werk – vom verqueren Ohrwurm „Pure Morning“ bis hinzu „Every You Every Me“. Doch erst der Nachfolger BLACK MARKET Mt’SIC ermöglicht den auf Festivals gern als Headliner gesehenen Placebo zur Jahrtausendwende in Deutschland einen überraschenden Rang vier. SI.EF.PING WITH (illOSTS betiteln Placebo 2003 Album Nummer vier. Filigranes Handwerk unter der Ägide von Jim Abbiss hebt nicht nur die Singles „The Bitter End“, „ThisPicture“, „Special Necds“ und „Enghsh Summer Rain“ über den Durchschnitt. Einen eigentümlichen Reiz verbreiten zehn Coverversionen der Extra-CD. Durchweg geschmackvolle Interpretationen von „20th Century Boy“ (T. Rex), „Where IsMy Mind?“ (Pixies), „BigmouthStrikes Again“ (The Smiths), „Holocaust“ (AlexChilton), „The Ballad Of Melody Nelson“ (Serge Gainsbourg) und Boney M.s „Daddy Cool“. Nachdem die elektronischen Zutaten auf den vorangegangenen Alben eine zunehmend größere Rolle spielten, entscheiden sich Placebo 2006 auf Anraten von Produzent Dimitri Tikovoi (u.a. Goldfrapp), darauf zu verzichten, und stellen wieder Gitarre, Bass, Schlagzeug und Keyboards m den Vordergrund. Doch auch Duette mit The-Kills-Frontfrau Alison Mosshart beim Titelsong und Michael Stipe bei „Broken Promise“ können nicht vereiteln, dass beim international bestverkauften Werk MEDS nur Standard regiert. Weitaus exquisitere und auch experimentellere Beiträge wie „Miss Moneypenny“, „Hare Krishna“, „Mars Landing Party“ und „Dub Psychosis“ finden sich zwischen eindrucksvollen Akustikversionen und Konzertmitschnitten auf der Doppel-CD B SIDES & LIVE AT LA C1GAL1-. Lediglich um DVD-Wiederveröffentlichungen handelt es sich bei der Video-Clip-Kollektion „Once More Mike Köhler With Feeling“ und „Soulmates NeverDie (Live ln Paris 2003)“.