Psychotische Reaktionen und heiße Luft von Lester Bangs :: Buch des Monats

Der rüpeligste Querschädel der Rockkritikgeschichte, erstmals auf Deutsch.

Er war ein Getriebener, was ihn trieb, war Rock’n’Roll. Den einfach konsumieren hätte Bangs nur gekonnt, wenn man ihm Kopf und Arme amputiert hätte. Er wollte kommunizieren, gnadenlos und uferlos, ständig vollgedröhnt, nie tranquilisiert, ohne Zivilisationsklimbim wie Höflichkeit und Toleranz, weil man den Dingen nur so auf den Grund kommt. Noch seine schlimmsten Verrisse glühten vor Liebe zu dem geilen Krach, den er verachtete, wenn sich „künstlerische Tendenzen“ hineinschlichen. Seine erste Plattenkritik schickte Bangs 1969 an den „Rolling Stone“, einen bösen Verriss des Debütalbums von MC5, mit denen er später befreundet war. Danach arbeitete er sich an allem ab, was ihm in die Quere kam, fand in The Clash und Richard Hell seine Messiasse, hat Lou Reed so obsessiv vergöttert wie vernichtet (notfalls im selben Interview), nahm mit Reed/Hell-Gitarrist Robert Quine eine Single auf, probierte später mit The Delinquencs, den Rubikon zwischen dem Fan, der er war, und dem Rocker, der er nicht sein konnte, zu überschreiten, und starb 1982 mit 33 an einer versehentlichen Überdosis. Seine erstmals auf Deutsch versammelten (leider lieblos übersetzten und nicht lektorierten) Texte sind also alles andere als neu, aber das macht nichts, weil Greil Marcus kaum übertrieb, als er schrieb, „dass der beste Autor Amerikas so gut wie nichts außer Plattenkritiken schreiben konnte“. In Zeiten, in denen die Musikkritik auf historischem Sumpfniveau zwischen Trend-Blabla, „Fakten“-Gefasel und Baukastensprech angekommen ist, gibt es kaum Erfrischenderes als Bangs‘ Invektiven und Hymnen (gerade dann, wenn er sich verrennt oder man total anderer Meinung ist). Und sei es nur als Erinnerung daran, dass Rockmusik mal was bedeutet hat.

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