Rain Tree Cow – Rain Tree Crow
Im Punk-Geburtsjahr 1977 generierten sich fünf Heranwachsende aus dem eher rauen Londoner Vorort Lewisham zu Prototypen der einige Jahre später modischen New-Romantic-Szene. Japan – die heimliche Kultband, die im heimischen Großbritannien niemand haben wollte, deshalb in Deutschland an einem Talentwettbewerb teilnahm, um anschließend vom Berliner Hansa-Label unter Vertrag genommen, auf Japan-Tournee geschickt und dort gefeiert zu werden. Jene Formation, die schließlich in ihre Heimat zurückkehrte, um sich als elitäre Eklektizisten abermals von der britischen Presse abwatschen lassen zu müssen. Nach zwei stilistisch interessanten, zwischen schräg-wavigem Funk. Soul und Dub-Reggae operierenden Alben Ende der siebziger Jahre mit dem heiser-kratzigen Gesang des platinblonden Bardot-Verschnitts David Sylvian, zwängte selbiger seine Stimmbänder in ein Korsett und klang fortan wie eine synthetische Mixtur aus Bryan Ferry und lan Anderson. Auch der Ensemble-Sound änderte sich abrupt: Statt Exzessen auf Gitarre, Bass und Schlagzeug regierte auf dem Übergangswerk ouiET life vorwiegend das elektronische Pulsen von Sequenzern und Synthesizern – bis zur Trennung der Band Anfang 1982 sollte dieser Weg richtungsweisend bleiben. Der Wechsel von Hansa zum Virgin-Label brachte schließlich die Wende: Der Erfolg kam posthum, und jene vier Werke harren mehr als zwei Jahrzehnte nach ihrer Erstveröffentlichung in digital remasterter Deluxe-Edition auf kaufwillige Langzeitanhänger, gentleman take polaroids 4 von Ende 1980 dürfte das stilistisch zugänglichste Album aus dem Rundum-glücküch-Fan-Paket sein. Der um drei Bonustracks I.The Experience Of Swimming“, „The Width Of A Room“ plus ein Remix von Steve Nye] aufgestockte Synthie-Pop-Klassiker glänzt mit dem elegischen „Burning Bridges“ im Stile von David Bowies lowund HEROES-Phase. „Methods Of Dance“ verfehlte damals nicht seine Wirkung in eisiger Club-Atmosphäre, „Taking Islands In Africa“ nahm den World-Beat-Boom vorweg, und mit dem Motown-Cover „Ain’t That Peculiar“ lieferten Japan nach „Second That Emotion“ schon die zweite seltsame Interpretation eines Soul-Evergreens von Smokey Robinson & The Miracles. Der Durchbruch kam jedoch erst gut zwölf Monate später mit dem bahnbrechenden Album tin drum 5 sowie der gänzlich ohne Schlagzeug funktionierenden Top-5-Single „Ghosts“. Mit vertracktem und kompliziertem I.The Art Of Parties“], fernöstlich angehauchtem „Visions Of China“, „Canton‘. „Sons Of Pioneers“, „Cantonese Boy“) und manchmal auch etwas schwülstigen Synth-Funk („Still Life In Mobile Homes“). Kommunismus, Mao, Viererbande, Tibet und Buddhismus kulminieren zur Imagination dessen, was sich romantisch verklärte Europäer unter der chinesischen Kulturrevolution so alles vorstellen. Quasi als Abschiedsgeschenk erschien im Juni 1983 der zwei Jahre zuvor im Londoner Hammersmith Odeon aufgezeichnete Konzertmitschnitt oil on canvas 4 . Wie die Original-Vinyl-Ausgabe ist auch die Neuveröffentlichung auf zwei Tonträger verteilt, die vor allem wegen der sonst nirgends erhältlichen Titel „Voices Raised In Welcome. Hands Held In Prayers‘ und „Temple Of Dawn“ interessieren dürften. Erst Ende der achtziger Jahre fanden die vier zerstrittenen Gründungmitglieder les ging damals unter anderem um angeblich hinterzogene Tantiemen: Kam, Barbieri und Jansen versus Sylvianl unter dem Logo rain tree crow 5 für eine einmalige Reunion zusammen. Stark von David Sylvians Solowerk beeinflusst, jedoch nicht so spartanisch instrumentiert und insgesamt stärker elektrifiziert, betonen die erst 1991 erschienenen, sehr getragenen 13 Soundscapes eine melancholisch-düstere Leblosigkeit, die sich im braun-vergitbten Wüstenstilleben des Albumcovers widerspiegelt. Karns Griff zum Saxofon oder zur Bassklarinette verleiht einen schwelgerischen Glanz mit einem Hauch von Jazz. Ein kleines Meisterwerk, das damals im Grunge-Rausch leider völlig untergegangen ist.
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