Randy Newman – Little Criminals

Wohl dem, der des Englischen nicht mächtig ist. Randy Newman’s Musik ist nämlich hervorragend geeignet als Hintergrundberieselung für blaue Stunden….wenn man die Texte nicht versteht.

Man fragt sich, woher dieser ungeheure Zynismus kommt. Drei Jahre lang war dieser unerbittliche Spötter verstummt. Aus Lebensangst, die ihm aus seinem künstlerischen Durchblick erwuchs. Wie ein Kaninchen in der Schlangengrube war er in einen Starrezustand verfallen. Als Ersatzbehandlung hat er das Dasein einer gähnenden Leere, des amerikanischen Mittelstandes geführt. „Ich habe mit meinen Kindern gespielt, bin mit dem Hund Gassi gegangen und habe ansonsten vor der Fernsehkiste gehockt.“

Nun, er hat auch neue Giftpfeile geschnitzt. Randy’s Songs ist allemal eine Art negatives Engagement eigen.Auch diesmal, wenn er die Kleinwüchsigen angreift („Short People ), Gerüchten zufolge damit Manager seiner Plattenfirma meint und doch im Grunde alle gesellschaftlich Zukurzgekommen in Schutz nimmt. Das Paradox ist Randy’s beliebtestes Kunstmittel. Bei „Rider in the Rain“, demontiert er den Mythos vom „einsamen Reiter, dem Sohn der Prärie“. Dieser Cowboy ist im Grunde ein Versager, ein Schlappschwanz. Das ausgerechnet zwei Eagles und andere Westcoast-Koryphäen wie Waddy Wachtel, Ry Cooder oder J.D. Souther bei der Zerstörung einer Legende mithelfen, an der sie selber kräftig mitgewoben haben, ist sublimste Ironie.

Musikalisch bietet „Little Criminals“ ein breites Spektrum: Blues & Boogie Shuffle-Töne bei „You Can’t Fool The Fat Man“ und dem Titelsong. Die schon erwähnte Countryballade „Rider in the Rain“ ist komplett mit Steel-guitar und Harmoniegesang. Die morbide Intensität Mahler’scher Symphonien erreichen die Streicherarrangements von „Texas Girl at the Funeral of her Father“ und „In Germany Before The War“. Der erstgenannte Titel, mit seiner Scheinsentimentalität, ist ebenso wie „Kathleen (Catholism Made Easier)“ ein Angriff auf die hohe Religiosität der (weißen) Südstaatler. Die Anleihe bei der spätromantischen deutschen Symphonik im Titel „In Germany…“ dient als Prospekt für die Geschichte eines Kindermörders, der in den Jackson Browne30er Jahren in Düsseldorf sein Unwesen trieb.

Randy Newman versteht es vorzüglich, seinen persönlichen Weltschmerz in ein allgemeines „Unbehagen an der Kultur“ einzubinden. Den Hinweis auf die Psychoanalyse gibt er mit dem Song „Sigmund Freud’s Impersonation of Albert Einstein in America“. Schon im Titel liegt wieder eine Verkehrung. Da der Mummenschanz zudem noch mit dem Mittel der bewußten Triviaütät betrieben wird, gehört schon intime Kenntnis spezieller US-Macken dazu diesen Song zu verstehen: „America, America, God shed his grace on Thee, You’ve whipped the Filipino, now you rule the Western Sea“. Verbunden mit der „little boys playing basebalF‘-Metapher und dem Kinderreim „The world of science is my game (!) and Albert Einstein is my name“, transportieren die Lyrics einen anspruchsvollen Hintersinn: der Export einer überzüchteten Wissenschaft und Technologie (hinstein) ist zugleich die Ausfuhr eines ödipal beherrschten Sendungsbewußtseins der Amerikaner, des Triebiniperialismus (Freud). Im schepperden Bläsersatz klingt zudem noch die Deutschlandhymne an, und bösartig sehließt das Lied mit der von Bing Crosby übernommenen Kitschphrase: „and may all your christmases be white!“

Es würde zu weit führen, die anderen Songs wie „Joily Copper’s Parade“ oder „Old Man On the Farm“ u.a. näher zu beschreiben. Man muß diese musikalischen Miniaturen hören, um ein akustisches Schlemmermahl zu genießen, das stets Magendrücken erzeugt…