Refused

Freedom

Epitaph/Indigo (VÖ: 26.6.)

Refused are fuckin alive, doch sie kränkeln. Eine halbherzige Wiederkehr der schwedischen Hardcore-Punk-Ikonen. Refused reviewed.

Man vergleiche das letzte Lebenszeichen der aufgelösten mit dem ersten Lebenszeichen der wiedervereinigten Refused: 1998, wenige Monate nach der Veröffentlichung ihres Meisterwerks THE SHAPE OF PUNK TO COME, schrieb die Band in ihrem giftigen, mit der Presse und der ganzen Welt abrechnenden Abschiedsbrief: „Wir hofften, dass wir der letzte Nagel im Sarg des faulenden Kadavers namens Popmusik sein konnten.“ 17 Jahre nach dem Scheitern dieser Mission erscheint die Comeback-Single „Elektra“, co-komponiert von einem gewissen Karl Schuster alias Shellback, der seines Zeichens auch für „Moves Like Jagger“ von Maroon 5 und „Shake It Off“ von Taylor Swift verantwortlich ist.

Wenn eine Hardcore-Punk-Band wie Refused solche Leute beschäftigt, ist das natürlich weder eine Sünde noch das eigentliche Problem dieses Albums. Es ist eigentlich egal. Trotzdem steht dieses kleine Detail exemplarisch für den Niedergang einer Band, die ihren Hammer nicht mehr findet und sich damit begnügt, mit einer Zange zaghaft die Nägel herauszupulen, die sie vor Jahrzehnten voller Überzeugung in besagten Sarg gehauen hat. Für eine Band, die sich und ihre Mission aufgegeben hat.

Refused klingen auf FREEDOM schwach, wenn sie auf Nummer sicher gehen und schwach, wenn sie ein Experiment wagen. Nur, dass Experimente in diesem Fall eher durch tiefer gepitchte Stimmen injizierten Seemannskitsch („Old Friends / New War“) oder Gefühligkeit suggerierende akustische Gitarren (fast jeder Song) meinen. Der experimentelle Überbau alter Tage ist futsch, die nackten Songs zu glatt. „Françafrique“ ist peinlicher Berufsmusiker-Rock mit nicht auszuhaltendem Kinderchor, „War On The Palaces“ klingt nach einer Ska-Punk-Schülerband bei der zweiten Probe.

Musikalisch überzeugen einzig das düstere „Destroy The Man“ und das geerdete Schlussstück „Useless Europeans“, doch auch diese Lieder sind wertlos im Vergleich zu vergangenen Großtaten: THE SHAPE OF PUNK TO COME gilt nicht etwa als Meilenstein seines Genres, weil es ein besonders gutes Punk-Album ist, sondern weil es kein Punk-Album ist. Refused haben mit den Mitteln des Punk eine Kunstmusik mit Versatzstücken aus Techno, Jazz, ja sogar Klassik erschaffen, die in puncto Akribie und Songwriter-Talent allem voraus war, was sich je Punk genannt hat. Heute verlassen sich Refused auf ihren Altherren-Blues-Rock-Baukasten. Die Texte sind verbohrte Parolendrescherei gegen „die da oben“ und „das System“. Alles zu viel des gut Gemeinten. Wie kann sich eine einst fantastische Band nur so verlieren?

Alle aufgelösten Gruppen da draußen, die über ein Comeback-Album nachdenken, sollten sich FREEDOM anhören. Als perfektes Beispiel dafür, wie man es falsch macht.