Robert Fripp – Under Heavy Manners/God Save The Queen

Zum besseren Verständnis dieser LP eine kurze Rückblende: Vor etwa einem Jahr veröffentlichte Robert Fripp mit seiner LP EXPOSURE (vergl. ME 7/79) den ersten Baustein der geplanten Trilogie „Drive To 1981“. Schon im vergangenen September sollte es eigentlich eine LP FRIPPERTRONICS geben, der – einige Monate später – ein weiterer Longplayer, DISCOTRONICS, folgen sollte. Dieser Idee lagen Fripps neue Erfahrungen zugrunde, wie man mit musikalischem Kleingepäck auf Tournee geht und so an allen möglichen Plätzen der Welt imstande ist, spontan Konzerte zu geben. Dazu gehört seine Gitarre, ein Pedalboard, (bei ihm jetzt Frippelboard genannt) sowie zwei Revoxmaschinen. Diese relativ simple Arbeit mit Tonbandschleifen hat er einst in Zusammenarbeit mit Brian Eno entwickelt. Einen ausführlichen Aufsatz über diese Idee findet Ihr übrigens auf dem Innencover. Fripp hat nun mal das Bedürfnis, seine Arbeit so durchsichtig wie möglich zu machen.

Von diesen Frippertronics muß Fripp auf seiner Demonstrations-Reise um die Welt etliche Kilometer aufgezeichnet haben. Nun, da er sich entschlossen hatte, Fripperund Discotronics auf die zwei Seiten einer einzigen Langspielplatte zu verteilen, erhebt sich natürlich die Frage, nach welchen Kriterien er wohl diese paar Meter ausgesucht hat. Egal…

Seite 1, UNDER HEAVY MANNERS. Fripp addierte für den Titelsong alle erdenklichen -ismen, is uns umgeben: negativism posirivism/ legalism asinism/cynism terrorism… oder: conservatism liberalism/centrism socialism/communalism leninism/marxism maotseism/communism trotzkysm/fidelism fascism…

Discotronics: eine Verflechtung von frippertronisch verfremdeten Gitarren und sturem Discobeat, einem perfekten Klischee, das in seiner fast maschinellen Vollendung geradezu flüssig wirkt gegen David Byrnes (Absalm el Habib) ruckhafte Vokalinterpretation. Er mutet an wie eine Menschmaschine, die hysterisch versucht, den Rhythmen zu folgen, jedoch Schwierigkeiten hat, den hemmenden Rost in den Gelenk Scharnieren zu überwinden. Wie ein Computer gehorcht er denn auch, wenn mit dem „Stop“ der Stecker herausgezogen wird. Continue! der Befehl zur Wiederholung, doch nur noch die Musik gehorcht. Nach endlosen Wiederholungen des Grundschemas fließt der Sound schließlich über „The Zero Of The Signified“ hinein in reine Frippertronics von nahezu bildhafter Qualität, Der Eindruck von Meeresbrandung wiederholt sich übrigens noch einmal zum Ende der zweiten Seite, GOD SAVE THE QUEEN.

Diese Seite beginnt mit „Red Two Scorer“ recht elegisch. Das Muster der Frippertronics gleicht sich insofern, als sich so ein Stück durch die laufende Überspielung von einem Kanal zum anderen aus zunächst ziemlich rohen, trockenen Tönen aufbaut. Durch die Addition erreicht der Sound erst zum Ende hin seine Komplexität. Für den unvorbereiteten Hörer handelt es sich dabei um undefinierbares Wimmern, jedoch jeder spürt schnell die entspannende, oft meditative Ausstrahlung, dieser ungewöhnlichen Geräuschkulisse. Die Idee von Eno und Fripp ist es bekanntlich, mit dieser Art von Klangkultur für ein neues Verständnis von Hintergrundmusik in Supermärkten, Büros etc. zu sorgen. „God Save The Queen“ liegen Fragmente der englischen Hymne zugrunde. (Fripp erklärt im Covertext, wie es dazu kam). Es gehört zugegeben viel Phantasie dazu, sie zu erkennen, das Stück endet jedoch dank weicher, langgezogener Töne in fast harmonischer Dichte.

Höhe- und Schlußpunkt ist „1983“. Dieser Titel erreicht fast 3D-Qualität. Durch die frühe Beigabe relativ tiefer, behäbiger Töne baut Fripp schnell einen düsteren Wall auf, dazwischen sorgen lichtere Einspielungen für Geschäftigkeit. „1983“ reflektiert unser Leben. Eine unterschwellige Unruhe bricht sich zum Schluß an gewichtigeren Klangstrukturen, die sich Platz schaffen. Und mit dem Bild von rollenden Meereswellen schließt sich wieder der Kreis. Eine schwierige LP für Leute mit Geduld, Phantasie und Verständnis.