Robert Palmer – Secrets

Im Gegensatz zu Michael Schlüter, der Palmers vierte LP seinerzeit im MUSIK EXPRESS kräftig runtergeputzt hatte, gefiel mir „Double Fun“ immer sehr gut. Die einzige Schwachstelle war in meinen Augen der zu stark geschliffene Sound, der trotz so mitreißender Songs wie „Best Of Both Worlds“ den Verdacht nährte, Robert Palmer trete mehr und mehr in die Fußstapfen eines so smarten Schönlings wie Boz Scaggs, der seine große Zeit seit drei Jahren hinter sich hat.

„Secrets“ allerdings bläst solche Verdachtsmomente mit Leichtigkeit fort. Robert Palmer ist mit dieser Platte über seinen eigenen Schatten gesprungen. Seine eigenwillige Stimme wirkt frischer als jemals zuvor und ragt prägnant aus der Soundebene der Instrumente hervor. Sie führt jetzt eindeutig, ist nicht so stark in den Sound eingebettet wie früher. Unter dem Strich tritt auf diese Weise aus allen Songs Palmers Persönlichkeit stärker hervor – ein außerordentlich positiver Effekt in einer Zeit, in der es Rockplatten gibt wie Sand am Meer.

Mehr Aussagekraft hat überraschenderweise aber auch das von den Instrumenten erzeugte Klangbild erhalten; es erscheint straffer, ökonomischer, unverbrauchter. Vermutlich zeigt sich hier die Handschrift des Tontechnikers und – inoffiziellen – Mitproduzenten Karl Pitterson aus Jamaika, der mit „Secrets“ zum ersten Mal in seinem Leben eine reine Rock-LP betreute.

Palmer hat gut die Hälfte der Titel auf dieser LP selbst geschrieben; herausragende Fremdkompositionen sind Moon Martins „Bad Case Of Lovin‘ You“ und Todd Rundgrens „Can We Still Be Friends“. Beide Songs interpretiert Palmer allerdings absolut eigenständig. Das stilistische Spektrum des Albums ist weit gespannt: vom losfetzenden Rocker „Bad Case Of Lovin‘ You“ über die gelockerten Nummern „MeanOld World“ und „Can We Still Be Friends“ (was Feines fürs Radio) bis hin zu den Reggae-Stücken „What’s It Take“ und „Too Good To Be True“. „What’s It Take“ übrigens ist eine Nummer, die mit „Best Of Both Worlds“ Schritt hält.

Fast alle Songs von „Secrets“ haben Singles-Format. Robert Palmer offenbart so gut wie keine Schwäche. Und das, obwohl ihn zum ersten Mal nicht mehr die Musiker von Little Feat begleiten, sondern die Jungs seiner neuen Tourband. Lächeln wir also über Palmers eigenen ironischen Kommentar: „Too Good To Be True“.