Rock-Spezial
Kevin Ayers, Ur-Mitglied der klassischen Jazz-Rock-Combo Soft Machine, hat es tatsächlich geschafft, nach diversen Solo-Alben sein jahrelanges, sonniges Domizil zwischen Ibiza und Mallorca zu verlassen, um in London ein neues Werk mit dem Titel AS CLOSE AS YOU THINK (Illuminated/Rough Trade Import) einzuspielen. Zusammen mit dem ehemaligen Patto-Gitarristen Ollie Halsall ist dem Gitarristen/Sänger Kevin Ayers ein Album gelungen, das an die eigenwillige Sound-Qualität (zwischen Folk. Jazz, Rock und Dekadenz) seiner früheren Platten anknüpft, aber dennoch wenig Spannung in den einzelnen Kompositionen aufweisen kann — vielleicht liegt’s am synthetischen/monotonen Background der einzelnen Songs, für den ein programmierter Fairlight-Computer verantwortlich ist. (3)
Nach ihrer vielversprechenden Debüt-Single „A True Story“ präsentiert die schwedische Formation Thirteen Moons weitere Songs mit atmosphärischen Jazz-Soul-Experimental-Attributen auf dem Album LITTLE DREAMING BOY (Wire Records). Die Musik mit ihren saxophon-bestimmten Instrumentalpassagen schwimmt entspannt und visionär daher, wobei der Begriff der Mood Music hier am ehesten seine adäquate Anwendung finden kann. Songs, die viel Platz lassen für die eigene Imagination — Filmmusik für die Zeit nach Mitternacht! (5)
Mit viel Eigen-Sinn und Gespür für Originalität wirft uns die obskure britische Gruppe The Enemy Within ihr Album A TOUCH OF SUNBURN vor (Red Lightnin/TIS); sie spielen ihren psychedelischen Rhythm & Blues so schmutzig und surreal, wie es ein Captain Beefheart in seinen besten Zeiten tat! Hinter dieser seltsamen Super-Group steckt u.a. auch Peter Green, der legendäre Blues-Gitarrist. (5)
Pulsierend, mit einem elektrisierenden Folk-Rock-Sound. kommen die vier US-Musiker daher, die sich so modisch mit dem Gruppennamen Zeitgeist schmücken. Auf ihrem Album TRANSLATE SLOWLY (DB Records/TIS) ertönt eine seltsame Sound-Mischung aus früheren 60er-Jahre-Mamas & Papas und trivial-rokkigen Velvet Underground. (4)
Apropos Velvet Underground: Die Gruppe, die in den 60ern mit ihrer wilden Sound-Poesie Zeichen setzte für die 80er Jahre, wurde von ihrer Plattenfirma vor kurzem in Form einer LP-Box vermarktet, die neben vier bereits bekannten Original-Alben auch ein fünftes, mit bisher unveröffentlichten Songs und Song-Versionen beinhaltet. Dieses Werk mit dem Titel ANOTHER VIEW (PolyGram/IMS) ist nun auch als Einzelstück erhältlich: Sehr beeindruckend ist eine Instrumentalversion von „Ride Into The Sun“ — ein Titel, den Lou Reed später auf seinem ersten Solo-Album sang; den Höhepunkt bildet aber ein Stück, das kurz nach der zweiten Velvets-LP WHITE LIGHT/WHITE HEAT entstanden ist: „Hey Mr. Rain“ hat wunderbare Violin-Parts — und die Band kann hier ihren ganzen Charme ausspielen. (6)
Die Amerikaner Christian Death, die mich mit ihrem eigenwilligen Sound zwischen Finsternis und Melancholie zuletzt auf ihrem Live-Tape THE DECOMPOSITION OF VIOLETS überzeugt haben, sind auf ihrem neuen Album ATROCITIES (Normal/EfA) poppiger geworden. Sie haben sich nun dem britischen Gotik-Sound der Banshees und Killing Jokes verschrieben, verbreiten aber dennoch eine pulsierende Vielfalt in ihren atmosphärischen Heavy-Rock-Songs. (4)
Der ehemalige Buzzcocks-Sänger Peter Shelley setzt auf HEAVEN AND THE SEA (Mercury/IMS) konsequent seinen elektronischen Pop Beat fort: Gradlinige Melodien gehen vermischt mit monoton-treibenden Rhythmen einher, verlieren aber schnell ihren Reiz. Nur vereinzelt gelingt es Shelley, mit seiner Gitarre Spannung in den Electro-Pop zu treiben — dann ist er ganz der alte! (3)
Sehr vielseitig & mehrschichtig in ihrem Folk-Rock-Swing präsentieren sich Felt auf ihrem Werk LET THE SNAKES CR1NKLE THEIR HEADS TO DEATH (Creation/Rough Trade). Die zehn ruhigen Instrumental-Passagen werden getragen von elektrischen Piano-Tropfen und akustischen/elektrischen Gitarren, wobei sich vereinzelt eine Orgel an die Stelle des Pianos setzt. Musik für einen verregneten Sonntag-Morgen (4)
Cabaret Voltaire, das Duo aus Sheffield, veröffentlicht sein neues Produkt unter eigener Regie — man hat den Konzern Virgin, mit dem jahrelang zusammengearbeitet wurde, verlassen. THE DRAIN TRAIN (Doublevision/EfA) umfaßt drei neue Kompositionen von Kirk/Mallinder, wobei der Song „(Shakedown) The Whole Thing“ in drei verschiedenen Versionen gespielt wird (und an den Fehlfarben-Hit „Ein Jahr [Es Geht Voran“ erinnert). Ansonsten hat der pumpende Electro-Funk-Beat der Voltaires nichts von seiner faszinierenden Polyrhythmik verloren. (5)
Keith LeBlanc, der Drum-Meister hinter allen wichtigen Electro-Beat-Veröffentlichungen der letzten Jahre — von der Malcolm X-Single „No Sell Out“ bis zur jüngsten Mark Stewart And Maffia-LP — kann diesmal seinen exquisiten Trance-Stil auf einem eigenen Album voll ausfahren. Unter Mitwirkung der Musiker aus Mark Stewarts Begleitband ist mit MAJOR MALFUCTION (World Recs./EfA) eine wahre Perle der Abteilung Heavy-Hip-Hop-Metal-Beat entstanden. (5)
Die Anarcho-Punk-Truppe Crass gehörte in England zu den radikalsten Vertretern ihrer Richtung; ihre Singles „How Does It Feel“ und „Sheep Farming In The Falklands“ kommentierten rücksichtslos Erscheinungen britischer Gerechtigkeitspolitik. Mit dem großartigen Doppel-Album BEST BE-FORE „(Crass Recs./EfA) liegt nun das definitive Testament der Band vor: Singles aus den Jahren 77 bis ’84, begleitet von einer ausführlichen Biographie. (5)
Irgendwo zwischen dem edlen Psycho-Blues der Birthday Party und den atmosphärischen Soundlandschaften der Cocteau Twins liegt tief vergraben der düstere Klang von The Wolfgang Press. Versetzte Rhythmen und schwulstiger Klassik-Pomp kennzeichnen die Breite, in der die Songs auf STANDING UP STRA1GHT (4AD/ Rough Trade) dahinschwimmen. Man hat das Gefühl, die Gruppe kann sich nicht entscheiden, ob sie nun mehr in den Blues stürzen oder mit den Cocteau Twins in die Atmosphäre entschwinden soll. (3)
Der französische Gitarrist Jean-Francois Pauvros hat sich für sein Solo-Projekt LE GRAND AMOUR (Nato/Pläne) so illustre Gäste wie Ted Milton alias Blurt (Gesang, Saxophon) und Arto Lindsay (Gitarre) eingeladen. Herausgekommen ist ein durchweg experimentelles Album, bei dem sowohl Miltons Gesang als auch Lindsays Gitarren-Kratzen dominieren. Überragend ist Arto Lindsays Gesang bei einer Interpretation des Gilberto-Titels „Grande Amor“. Dies ist das Album, aus dem die Kakophonie der Jesus And Mary Chain ihre Nahrung holt! (5)
Diamanda Galas ist eine Sängerin, die genau das mit ihren Stimmbändern betreibt, was der Gitarrist A. Lindsay mit den Saiten seiner Gitarre praktiziert — nämlich extremistische Zerr-Klang-Orgien. Frau Galas hat sich für ihr Werk THE DIV1NE PUNISHMENT (Mute/lntercord) einige Texte aus dem Alten Testament genommen und sie einer Schock-Behandlung mit ihrer Stimmengewalt unterzogen. Begleitet wird ihre wildschimmernde Performance von einem minimalistischen Elektronik-Background. (5)
Bodenständigen Pop Rock spielt der Gitarrist/Sänger Joe Viglione aus Boston, der seine Gruppe The Count nennt. Die Songs auf NEW CHAN-GES (New Rose/SPV) haben all den Charme eines Willie Loco Alexander-Rocks (der ja ebenfalls aus Boston kommt), aber auch den individuellen Psycho-Rock-Einschlag eines Alex Chilton. (4)
Aus dem klanglichen Umfeld der legendären Radio Birdman (Australien) kommt der mächtige Rock, den die Formation Reptiles At Dawn auf NAKED IN THE W1LDERNESS (New Rose/SPV) zelebriert. Schwere, pulsierende, Gitarre-Baß-Drums-Passagen bauen die Songs zu bedrohlichen Monumenten auf, wobei sich auch Vergleiche mit den frühen Stooges anbieten. (5)
Vereinzelt gelingt es immer wieder einem jungen Gitarristen, dem stark strapazierten, alten Rockabilly einen Schuß Inspiration & Eigenwilligkeit zu versetzen! Ben Vaughn ist einer davon — zusammen mit seiner Combo spielt er einen erfrischenden, zwingenden Rockabilly-Schlag; Albumtitel: THE MANY MOODS OF (Making Waves). (4)
Der Tradition verpflichtet fühlen sich auch die True Believers, die in ihrem Live-Repertoire eine umwerfende Version der Led Zeppelin Hymne „Stairway To Heaven“ führen. Auf ihrem gleichnamigen LP-Debüt (EMI America/ASD) ist das Stück nicht dabei, dafür aber eine schöne Interpretation des Velvet Underground-Songs „Train Round The Bend“. Den Kern der True Believers bilden die Brüder Javier und Alejandro Escovedo, letzterer spielte einst mit den Nuns aus San Francisco. Das Album, produziert vom Memphis-Pianisten Jim Dickinson. bietet Gitarren-Rock vom besten. (5)
Sehr schönen amerikanischen Mainstream-Rock präsentieren Walk The West auf ihrem gleichnamigen Album (Capitol/ASD). Melodiöse Gitarren und ein sehr entspannter Gesang lassen die Musik gen Westcoast-Rock treiben. (4) Aus Kalifornien kommen die 17 Pygmies, die eine seltsame Mischung aus Folk, Rock und Psychedelia spielen. Die verhaltene Musik auf CAPTURED IN ICE (Lolita/Rimpo/ Intercord) wird getragen von einem klaren, voluminösen Frauengesang und einem puren, reduzierten Folk-Beat, der Erinnerungen an den wunderschönen, naiv-gespielten Beat einer Maureen Tucker hervorruft. (5)
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