Rock- Spezialitäten
Die Zeiten sind bunt und einfach. Die Aussage der gegenwärtigen Popmusik reduziert sich auf: Tanzen & Emotionen. Die Devise – nicht nur in der Politik – heißt: Positiv & Aufschwung. Es bleibt keine Zeit übrig für zu viel Depression und zu kleine/wenige Herzen. Tanzspaziergänge unter ernstem Mondlicht sind gefragt. Auch in dieser Rubrik. Dance-Vision.
Eindeutiger Gewinner auf diesem Gebiet ist der dünne/weiße Mann: David Bowie,natürlich. LETS DAN CE heißt seine neue Maxi-Single, produziert vom Chic-Gitarristen Nile Rodgers, und eines der einfachsten Stücke, die Bowie in den letzten Jahren gemacht hat Das alles wäre natürlich noch nicht viel, was sich abhebt von all der Durchschnittlichkeit, wenn da nicht Bowies kühle/blühende und auch zerbrechliche Stimme wäre: „Let’s sway through the crowd to an empty place.“ Die B-Seite ist sogar noch beser: eine neue, metallische Soul-Version (!) der ursprünglich schnulzigen Filmmusik CAT PEOPLE. Ein erneuernder Sound! (12inch/EMI Electrola) (6)
Dance-Vision, Teil 2. CHURCH OF THE POISON MIND vom Culture Club.! Eine neue Maxi-Single vom liebevollen Boy George und seinen Mit-Männern. Culture Club überrascht hier mit einem ziemlich schwarzen Titel, zwischen Funk-Beat und Soul-Blues, mit melodiöser Harmonika und gospelartigem Hintergrundgesang von Helen Terry.(12inch/Virgin) (5)
Dance-Vision, Teil 3. Ein Blues-Thema, das er sich mit elektronischen Elementen einverleibt, bringt Pete Shelley eindrucksvoll auf seiner neuen 12inch TELEPHONE OPERATOR. Produziert hat er wieder zusammen mit Martin Rushent. MANY A TIME, das andere Stück, ist in gewohnter Shelley-Art: Der ex-Buzzcocks Sänc-er fasziniert mit seiner verzweifelt klingenden Stimme, traung – aber rasend! (12inch/Genetic Records) (4) Dance-Vision, Teil 4, ist im Gebiet der Volksmusik angesiedelt. Meisterplan-Fan Nummer Eins Malcolm McLaren ist auf seiner Rundreise durch die Welt der unbegrenzten Entdeckungen von noch unpopulären Kulturen in Afrika gelandet: SOWETO, mit dem Gesang der McLarenettes, ist ein Lied zum Mitschunkeln, eine Art afrikanischer Schuhplattler mit Polka-Einschlag.
ZULUS ON A TIME BOMB, das andere Stück, ist die McLaren-Version des Zulutanzes, dennder ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im afrikanischen Zulu-Stamm zur Ausbildung von Kriegern eingesetzt wurde, die dann die Engländer schlagen sollten. (12inch/Chansma811 183)(4)
Der Tanz ist vorüber. Es bleibt die Vision. Aber es ist nicht zu spät! Man begibt sich in den Tunnel des Sakralen/Mystischen: willkommen zur letzten Suppe mit den Bollock Brothers aus Schottland.
Das letzte Abendmahl, THE LAST SUPPER, ist ein Set mit zwei LPs, die in ziemlich düsterem Synthesizer-Electro-Disco-Sound monoton dahinschwimmen. Erinnerungen an die letzte Stranglers-LP werden wach Meistens gibt es Sprech-Gesang.
Lustig ist „The Gift“, eine Parodie auf das gleichnamige (und geniale) Lou Reed-Stück über den Mann, der sich im Papp-Karton zu seiner Geliebten schicken läßt und von ihr dann beim Auspacken einen Metallschneider durch den Kopf bekommt (Boll 100/Charly Records) (3)
SIAMESE LOVERS von Patti Palladin ist ein Stück, das man eigentlich immer hören kann (und wird). Ein intensives, tiefes Stück, außerhalb jeder Strömung, und sehr überzeugend! Patti Palladin war der eine Teil des legendären Duos Snatch, das vor einigen Jahren mit den Singles ALL I WANT und STANLEY brillierte (Judy Nylon. Pattis Partner von damals, brachte 1982 ihre sehr gute PAL JUDY-LP heraus).
SIAMESE LOVERS, geschrieben 1978, angereichert mit Viola und Cello, erzählt vom schweren Horror, der Menschen, die voneinander abhängig sind, befällt. Palladins Gesang hat Patti Smith-Dimension.
TRIAL BY FIRE, die Rückseite, stammt noch aus alten Snatch-Tagen und ist psychedelisch-rhythmisch-SIAMESE LOVERS: neben LET’S DANCE der andere Höhepunkt des Monats. (12inch/The Lone Corporation/Rough Trade Deutschland) (6) Antena, die Gruppe aus Paris, die mit ihrer Version des Klassikers „The Boy From Ipanema“ (ein Samba des Saxophonisten Stan Getz mit Jazz-Einfluß) im letzten Jahr auffiel, hat fünf neue eigene Songs eingespielt.
CAMINO DEL SOL ist ein sehr helles/leuchtendes Mini-Album, das warm/romantisch und cool’relaxt zugleich die Stile Samba/Latino-Americano/Jazz durchstreift. Isabelle Powaga hat eine beeindruckende Stimme, die zurückhaltend betont. Wer populäre Vergleiche will: Dieses Werk ist tiefer als die Weekend-LP, die sich doch sehr schnell abgenutzt hat. (MiniLP/Les Disques Du CrepusculeTWI 114)(5) Ein bißchen zu pathetisch, direkt, angst-getrieben – aber so selbstbewußt und konsequent wie Abwärts präsentieren sich X-Mal-Deutschland aus Hamburg auf ihrem Debut-Album FETISH. Die vier Frauen mit dem Baß-Mann spielen hart und melodisch, vor fünf Jahren hatte mich dieses Werk angezogen. Ihr Sound ist düster/monoton und paßt in die Richtung Cocteau Twins, die auf demselben Label sind (LP/4AD Cad 302/demnächst in Deutschland bei Virgin)(3)
Zum Schluß die Nach-Ekstase. Aus Deutschland, wo das Düsseldorfer Label „Pure Freude“ soeben die frühen Aufnahmen der Mittagspause von 1979 als neuabgemischte LP herausgebracht hat (sehr gut!), kommt DIE LETZTE RACHE, Vom Der Plan. Die Musik zum gleichnamigen Film, den der Regisseur Rainer Kirberg im letzten Jahr für das ZDF gedreht hat.
Aber auch ohne den Film strahlen die konstruktivistischen/existenhellphantasiegeladenen Sound-Montagen der Düsseldorfer Gruppe Genug Charme und Humor aus. (Ata Tak WR 17)(5)
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