Rockpalast
Die Idee und die Sache hatten etwas typisch Deutsches: Albrecht Metzgers bräsig radegebrochene Anmoderation „Ladies and Gentlemen, German television proudly presents live as our guests in Rockpalace…“ ebenso wie die Auswahl der Künstler (bei der ersten europaweit übertragenen Fernseh-„Rocknacht“ am 23. Juli 1977 waren dabei: Rory Gallagher, Little Feat und Roger McGuinns Thunderbyrds), die Präsentation in der gigantischen Essener Grugahalle —- zu einer Zeit, als sich die Rockmusik gerade vom Gigantismus der frühen 70er befreit und eine laute, lebendige Neugeneration die Dinosaurier zumindest zeitweise aufs Abstellgleis der Geschichte geschoben hatte.
Im „Rockpalast“ regierte hingegen weiterhin die Ehrfurcht vor den alten Stiefeln und der Muff des ernsthaften Rockierens, und so war es nicht verwunderlich, dass das Modell „Rock’n’Roll“, das dort massenkompatibel zelebriert wurde, von Anfang an und immer mehr etwas von einem Museum hatte. Andererseits gab es nicht nur die neue Rockmusik im Fernsehen schlichtweg generell nicht zu sehen, sondern so gut wie überhaupt keine live gespielte, und deshalb quälte man sich mangels Alternative notgedrungen noch durch das überkandideltste und selbstverliebteste Ekel-Bluesrock-Dauergedudel in den frühen Morgenstunden – das ließ letztlich die Sehnsucht nach etwas Neuem, Aufregenden, Relevanten derart anschwellen, dass man den „Rockpalast“-Machern ganz unironisch dankbar sein muss, weil sie ungewollt dazu beitrugen, das, was ihnen als Rock-Leitkultur alternativlos schien, auf den Friedhöfen des Oldie-Zirkus zu beerdigen.
Die Erinnerungen des Sendungserfinders Peter Rüchel lesen sich erwartungsgemäß wie die erhabenheitsbebenden Notate eines Amtsvorstehers in der Rockverwaltungszentrale, was für ironiebegabte Menschen von einigem Reiz ist, bei anderen für nostalgische Gruselgänsehäute sorgen wird, ebenso wie die vielen Bilder aus einer Rock-Parallelwelt, die es in der Wirklichkeit nie gab und die sich bei ihren zaghaften und verspäteten Versuchen, sich dieser Wirklichkeit zu öffnen, zwangsläufig blamierte.
Der „Rockpalast“ hatte aber neben der eklen Gigantomanie eine zweite, wesentlich wichtigere, aber heute kaum noch bekannte Seite: Bei vielen, vielen Kleinkonzerten, anfangs im TV-Studio, später in Clubs und mittleren Hallen brachte die Sendung tatsächlich doch aktuelle Musik auf Bühne und Schirm und leistete damit eine Pionierarbeit, für die ihr (ebenfalls ganz unironisch) zu danken ist. Leider ist das Buch ein ziemlich konzeptlos zusammengeschustertes Kuddelmuddel, und die meisten Gastbeiträge dienen höchstens als kontrastierendes Graufeld, aber zum amüsierten Blättern taugt es allemal.
www.rockpalastarchiv.de
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