Screamin‘ Jay Hawkins – Live At The Olympia, Paris 1998

Der Sarg steht heute (meist) nicht mehr auf der Bühne, und auch Voodoo-Kinkerlitzchen wie Schlangen und Totenköpfe hat Hawkins nicht mehr nötig. Wäre auch ein wenig antiquiert, oder? Dass der Veteran einst als Skandalnudel der Nation die amerikanischen Gemüter zu erregen vermochte, mag man heutzutage kaum mehr glauben. Denn seine gemütlichen Blues- und Boogie-Nummern klingen mittlerweile nach dem Standard-Repertoire eines Zwölftakt-Entertainers. Wäre da nicht Screamin’Jay Hawkins‘ Gackern und Röcheln, mit dem er immer noch den Urwald-Wilden spielt und einst Alice Cooper inspirierte – man könnte meinen, die Schlange hätte ihr Cebiss verloren. Oder haben sich nur die Zeiten geändert? Das Repertoire dieses Live-Doppelalbums deckt von daher nur grundsoliden Rhythm & Blues ab: Neben den Cover-Evergreens wie Willie Mabons „1 Don’t Know“, dem Ben E. King-Hit „Stand By Me“ oder“What l’d Say“

von Ray Charles lässt er jedenfalls auch keinen seiner eigenen Hits aus. So fehlt der erztraditionelle Rock ’n’Roll „Bite It“ ebensowenig wie jener Song, den trotz zahlreicher Nachahmer keiner so gut interpretieren kann wie er selbst: „I Put A Spell On You“ zeigt den Pianisten und Sänger in seiner Paraderolle. Wie er da zischelt, krächzt und kreischt, versöhnt er für den Rest des teils lauen Albums. Schocken will er freilich noch immer. So wie im schleppenden „Constipation Blues“, bei dem er ins Mikro rülpst und furzt wie ein versautes Nilpferd mit heftiger Darmkolik. Obwohl das für gelegentliche Lacher beim Publikum sorgt, wirkt der gute alte Hawkins dabei aber eher wie ein abgehalfterter Jahrmarkt-Clown.