Sex, Drugs & Castingshows
Ehedem wollten strebsame Buben Lokführer oder Feuerwehrmann werden und wurden Automechaniker oder Bankangestellter. Heute wollen sie Popstars werden und werden … nun ja, sagen wir: Opfer eines gnadenlos neoliberalen, aber für Außenstehende auch gnadenlos faszinierenden und oft komischen Systems der Selektion und Markenbildung, der Umwandlung des Menschen in ein Produkt und eine Karrieremaschine, die alles aus dem Weg räumt, was ihr an Konkurrenz im Weg steht. Und aber am Ende – so geht die Logik des Systems – meist selbst aus dem Weg geräumt wird von Schnelleren, Härteren, Fügsameren, ausgesaugt und ausgelaugt von zynischen Betriebsblutegeln.
Markus Grimm, 2004 bei „Popstars“ in das Sieger-Bandprodukt Nu Pagadi gewählt, und „Star Search“-Sieger Martin Kesici sind durch diese Mühle gegangen, übers Drahtseil, durch den Sumpf, bis nach weit unten. Mit grimmiger Ironie und ungebrochenem Glauben an die Marktreligion und den Kult des Einzelkämpfers erzählen sie ihre Geschichte und ihre Meinung – sehr ehrlich, kaum reflektiert, ohne Einsicht in die Strukturen des Systems, aber mit großem erinnerndem Scharfsinn für gewisse Details und ebenso nachvollziehbarem wie manchmal amüsantem Trotz. Potenzielle Kandidaten für den „Talent“-Hochofen werden sich kaum abschrecken lassen, ein schärfer eingestellter Bullshit-Detektor hätte auch nicht geschadet, aber lesenswert ist das allemal, zumindest für auch nur entfernt an der Materie Interessierte.
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