Sex & Drugs & Lodenrock – Pop zum Lesen
DAS LEBEN IST NICHT FAIR. Nie gewesen. Schon gar nicht, wenn man als Frau auf die Welt gekommen ist. Den Rausschmiss der literarischen Obergouvernante Sigrid Löffier aus Reich-Ranickis Expertenzirkel lassen wir an dieser Stelle aber unkommentiert. Denn: The Show Must Go On. Und das tut sie ja auch. Wenn man Frau Radischs Redeschwall ertragen kann. Aber Frauen können ja auch ganz anders. Zum Beispiel Lodenröcke in Midi-Länge tragen, einen unehelichen Sohn mit einem griechischen Hallodri in die Welt setzen und sich ansonsten von früh bis spät selbst verwirklichen. Keiner kann von derlei weiblichen Befindlichkeiten besser erzählen als Helga Maria Schneider. Mit EIERSALAT – EINE FRAU GEHT SEINEN WEG (Kiepenheuer & Witsch, 128 S, DM 14,90) haut er uns ein Emanzen-Manifest um die Ohren, dass der Büstenhalter nur so schlackert. „Die Wahrheit“, weiss Helga zu berichten, „ist eben keine langstielige Rose“. So isses. Der Wahrheit auf der Spur ist auch der ausgemusterte Popstar Cuddie Savoy, der sich, unpraktischerweise nur mit Bademantel bekleidet, im Lift eines Hotels wiederfindet. Als wäre das nicht schon schlimm genug, besitzt er weder Schatten noch Spiegelbild und hat einen handfesten Filmriss. Ein Doors-Song und viel Whiskey lassen Cuddie des Rätsels Lösung näher kommen. Christine Wunnicke erzählt in JETLAG (Knau, 252 S., 36,00 DM) eine hinreißende Pop-Gespensterstory voller Psychedelik, Grusel und eimerweise schwarzem Humor. Sollte eines Tages der Literaturnobelpreis in der Kategorie „Bester Pop-Roman“ vergeben werden – Frau Wunnicke müsste das Rennen machen. Wer lieber knobelt als sich zu gruseln, ist bei Kinky Friedmans STRASSENPIZZA (Heyne, 285 S., DM 28,00) an der richtigen Adresse. Detektiv „Private Dick“ Kinky stolpert in einen komplizierten Fall: Auf Willie Nelson lastet ein Indianerfluch. „Handlung“, befindet Friedman, „ist was für Idioten.“ Wer sich also irgendwann im Gewirr aus Wahnwitz, Joints und Exzentrikern nicht mehr auskennt, liegt richtig und kann Friedmans abseitige Fantasien in vollen Zügen genießen – nicht umsonst geht mit „Rapid City, South Dakota“ der einzige Pro-Abtreibungssong der Countrygeschichte auf sein ohnehin schon volles Konto. Stichwort Konto: Autor Roger Trash kennt eher die Dauerflaute in der Kasse. „Neue Abenteuer aus der Nothaltebucht“ verspricht DER ERLEBNISMILLIONÄR (Bunyola, 200 S., DM 15,00) im Untertitel. Das klingt nicht ganz zufällig nach Oberloser Charles Bukowski und seinen Gedichten vom südlichen Ende der Couch. Auch in Roger Trash steckt eine vermurkste Künstlerseele, die sich mit derber Gossensprache Luft macht. Schlecht kommen dabei Reihenhausbewohner jenseits der 30 weg, und auch Frau Löffler hätte allen Grund zum Meckern: Ficken wird bei Roger Trash groß geschrieben. Wie war das noch, wer’s tut, braucht nicht drüber reden? Bleiben wir beim Thema: Zumindest der reißerische Titel SEX MIT MONIKA KRUSE ODER STELL DIE VOR ES IST POP UND KEINER GEHT HIN! (Lautsprecher, 108 S., 18,90 DM) verspricht einen Blick unter die Bettdecke. Beim Versprechen bleibt es allerdings. Autor Johannes Finke, der mal eine Lesereise mit Schlauberger Stuckrad-Barre unternehmen sollte, aber wieder ausgeladen wurde, verarbeitet in Texten mit kryptischen Titeln wie „Close Beat / Profilmassage“ Slam Poetry und Pop-Poesie. Sein Leitsatz: Let There Be Rock. Sex hat er dann doch noch. Mit Monika Kruse, versteht sich. Moment, einen hab‘ ich noch. Zumindest zum Thema Rein-Raus. Der letzte, versprochen. Wäre ja glatt gelogen, zu behaupten, in Thor Kunkels SCHWARZUCKT-TERRARIUM (Rowohlt, 640 S., DM 28,00) ginge es nicht deftig zur Sache. Aber was will man machen, die Tage im trüben Frankfurt der späten 70er samt ausklingendem Disco-Fieber sind lang für einen Haufen Verlierer, die sich mit zwielichtigen Geschäften und der wichtigsten Sache der Welt über Wasser halten. Als ihnen gar nichts mehr einfällt, gründen sie eine Männer-Striptruppe, die sich, man ahnt es schon, mit anderen Dingen als Ruhm bekleckert. Rabenschwarze Komik in atemberaubendem Tempo und sprachlicher Brillanz -Kunkel hat das Zeug zum Kultstar. Apropos Kult: Iron Butterflys „ln-A-Gadda-Da-Vida“ darf in keiner anständigen Hippie-Plattensammlung fehlen – selbst wenn der Titel eher obskur ist. Derlei Seltsamem hat sich der ehemalige Stern-Journalist Hollow Skai mit IN A DA DA DA VIDA (Hannibal, 352 S., DM 35,00) angenommen und bringt mit „magischen, mythischen & mysteriösen Geschichten zu Pop-Songs“ Licht ins Dunkel. Jede Menge Kurzweil und Kuriositäten im leichtverdaulichen Format – Pflichtlektüre für Freaks.
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