„Singstar Rocks!“ :: Indie-Karaoke
Zugegeben: Ganz neu ist diese Serie nicht. Doch abgesehen von der Tatsache, daß SingStar neben EyeToy eine völlig neue Konsolenspieler-Zielgruppe auftat, ist diesmal mit SingStar Rocks! (Sony, PS2) tatsächlich auch was für musikalisch qualitätsbewußte Indie-Kids und Rocker dabei. Das Prinzip bleibt: Statt des Controllers greift man zum Mikrophon, die erwünschten Skills liegen ausnahmsweise mal nicht darin, eine Spielfigur möglichst geschickt zu manövrieren, und das Timing beschränkt sich im wahrsten Sinne des Wortes auf Ton und Taktgefühl. Nach dem bewährten Karaoke-Prinzip läuft der Song, der dazugehörige Text wird eingeblendet. Das SingStar-eigene Feature: Neben dem Text werden auch farbige Balken eingeblendet, die die ungefähre Tonhöhe und die Tonlänge markieren. Diese müssen möglichst genau getroffen werden, um hinterher einen Haufen Punkte nach Hause zu bringen.
Nun stelle man sich folgendes Szenario vor: Die Clique sitzt schon reichlich angeschickert vor der Flimmerkiste, als irgendwer auf die grandiose Idee kommt, sich ausgerechnet an Tocotronics „This Boy Is Tocotronic“ zu versuchen. Doch die lustigen Tonhöhen-Balken, die eigentlich zur Orientierung dienen, können zur fiesesten Falle werden. Nicht selten führen sie dazu, daß man angestrengt am Bildschirm klebt und verzweifelt mit den Stimmbändern schlackert, um bloß den erwünschten Halbton zu treffen. Das klingt erfahrungsgemäß eher nach liebeskranken Katzen im Hinterhof als nach der ersehnten Festival-Hauptbühne, ist aber ein sehr großer Spaß für diejenigen, die gerade nicht singen.
Das Ergebnis des Wettbewerbs indes ist oft verblüffend: Menschen mit wirklichem Sangestalent, die sich zu gewagten Harmonie-Versuchen hinreißen lassen, mögen zwar in den Ohren ihrer Mitstreiter ganz prima klingen, doch im Kampf geht es um eine möglichst naturgetreue Kopie des Originals, weshalb gerade die Experimentierfreudigen letztendlich oft ausgerechnet gegen die unerträglichen Ton-Ruderer mächtig abstinken. Tolle, virtuelle Welt. Erstaunlich hingegen ist die Tracklist, die zwar so ziemlich jeden, der „Rock“ auf dem musikalischen Plan stehen hat, bedient, aber nicht wirklich mit einem geschmackssicheren Mixtape gleichzusetzen ist. Doch vielleicht ist das weniger ein Problem als vielmehr ein Pluspunkt: Wer sich lange genug an Blur, den Undertones, Kasabian oder gar Thin Lizzy versucht hat, hat vielleicht zwangsläufig auch irgendwann Lust auf die Scorpions, Revolverheld oder gar Matthias Reim…(4 Sterne)
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