Soft Machine – Noisette

1970 – die Zeit der langen Haare, Räucherstäbchen und endlosen Improvisationen. Die Rockmusik begann intellektuell zu werden und sich entweder der Klassik oder, was noch weit fruchtbarere Resultate hervorbrachte, dem Freejazz anzunähern. Soft Machine als eine der Hauptprotagonisten dieser Entwicklung befanden sich 1970, also zum Zeitpunkt dieses Live-Mitschnitts aus der Fairfield Hall im britischen Croydon, auf ihrem künstlerischen Zenit. Robert Wyatt, der das ständige An- und Abschwellen der Solo-Eskapaden mit einem endlosen Liebesakt verglich, brachte die Soft Machine auf Touren und Elton Dean sowie Lyn Dobson pusteten ihre Saxofone durch allerlei Filter und Verzerrer. Bassist und Gründungsmitglied Kevin Ayers hatte die Soft Machine jedoch schon verlassen, weil ihm die Musik „zu kompliziert“ geworden war. Stattdessen turnte Hugh Hopper über das Viersaiter-Griffbrett, während Mike Ratledge mit Orgel und Fender Rhodes in jede noch so winzige Solo-Bresche sprang. Womit wir nun endgültig bei der vorliegenden Aufnahme sind: Dieser Mitschnitt stammt vom ersten Live-Konzert, das Soft Machine als Quintett überhaupt spielten. Bis auf den Song“Facelift“, der es auf das Album THIRD schaffte, blieben alle Tracks unveröffentlicht und sehen nun also erstmals das Tageslicht. Sie zeigen eine Band, die die Grenzen der Solierkunst zu sprengen versucht und sich einen Dreck um kommerzielle Kategorien schert. Aus diesem Grund und weil Soft Machines Konzert-Happenings eine Vorreiterrolle für Grenzgänger wie Frank Zappa oder Miles Davis spielten, muss man einem Album wie NOISETTE ehrfürchtigen Tribut zollen. Dass diese nahtlos ineinander fließende Freerock-Orgie heutzutage allerdings keine musikalische Relevanz mehr besitzt, spielt nur eine eher untergeordnete Rolle.