Der Pendler zwischen London und Wien erkundet den R’n’B-Soul der Zukunft.

Kaum hatte er angefangen, schon musste man um ihn besorgt sein. Da waren diese dramatischen Worte im Song „The Wheel“: „I died a week ago, there’s nothing left, it’s caught on video, the very last breath.“ Das klingt nach einem Akt der Verzweiflung, aber der Sohnemann hat bereits wissen lassen, dass es ihm um Abschied und Neuanfang geht.

Damit wäre das geklärt. Er gehört zu den Künstlern, von denen dieser Tage mit Recht einiges erwartet wird. Es gab entsprechende Vorleistungen. Zuerst lieferte er Ende 2012 einen Remix von Lana Del Reys „Ride“ ab, dann folgten Neuabmischungen für Laura Mvula, Disclosure und Banks. Mit seinen eigenen Singles „Bloodflows“ und „Lessons“ bestätigte sich, dass dieser Produzent zwischen Post-Dubstep, Trip-Hop, Electronica und digitalem Soul heimisch werden will. Dort herrscht inzwischen ein ganz schöner Andrang, aber das schreckt den im Süden Londons aufgewachsenen Bastler nicht ab. Er kann sich auf einen Sound verlassen, der auf drei Elementen basiert.

An vorderster Stelle steht seine melancholische, zerbrechliche, aber auch beseelte Stimme, die oft in Falsett-Höhen entschwindet. SOHN setzt nicht nur auf ihren natürlichen Klang, sondern nimmt auch Verfremdungen vor, so wie am Anfang des Openers „Tempest“. Meistens tastet sich unser Junior betont minimal an die Sache heran. Mit zunehmender Dauer eines Songs kann es zu Steigerungen kommen, die eine sehr euphorisierende Wirkung entfalten. Auffällig sind auch der Hang zu perkussiven Elementen in Form eines Ploppens, Rüttelns oder Tackens wie beim Stepptanz. Sie sind ein echtes Markenzeichen.

Das ist auch in „Artifice“ so, wo ein Glockenklang-Effekt mitläuft, auf den SOHN bei seinen seltenen Ausflügen außerhalb der Grenzen Wiens gekommen ist. Auch hier geht es um Trennungsschmerz. „Is it over, did it end while I was gone, cause my shoulders couldn’t hold that weight for long, and it all just feels the same“, singt er auf eine Art, die an Justin Tim- berlake erinnert. An dieser Stelle erreicht dieses Debüt einen Höhepunkt, was sich von „Ransom Notes“ und „Paralysed“ nicht behaupten lässt. Diese beiden in der Mitte angesiedelten Balladen sorgen für den einzigen Durchhänger.

Gute Platten zeichnen sich ja dadurch aus, dass sie nach hinten hin nicht nachlassen. So auch hier. „Lights“ wird von einem sanft hüpfenden Beat angetrieben, und in „Veto“ weist der Filius eindringlich darauf hin, dass er das Spiel nicht mehr mitmache. Exotisches Klöppeln und urplötzlich dazwischenfahrendes Rauschen unterstützen das Anliegen. Dieser Mann liebt die Feinheiten, wieder einmal. Er hat in einem sehr konzentrierten, mehrmonatigen Zeitraum immer zur späten Nachtzeit so lange darauf hingearbeitet, bis alles gepasst hat. Man wird noch viel davon hören.