Sophie B. Hawkins – Timbre
Sophie Hawkins hätte sie nach den Vorstellungen ihres Labels heißen sollen, und der gleiche Eigensinn, mit dem sie das „B“ -halten hat, machte ihr Debüt TONGUES & TAILS igg2 zu einer ungemein kräftigen Platte. Der ’94er Nachfolger WHALER litt an einigen kreativen Untiefen, und so wäre die fünfjährige Pause zu TIMBRE auch verzeihlich allerdings nicht unter diesen Umständen: Es gab wieder Streit im Vorfeld, die LP war längst fertig, durfte aber nicht in die Regale, da die Single „Lose YourWay“ ein zartes Banjo-Picking enthält, das die Vertragspartner als nicht radiotauglich (!) bewerteten. Auch den Produzenten wollte der Konzern diktieren, aber falsch gewettet: 3:0 für Sophie, erst das „B“, dann das Banjo und die Eigenproduktion, ein Radioaufruf an die Fans zeigte Wirkung. „Eine ganze Internet-Protestkampagne startete, und 200.000 E-mails später schrieb Sony, ich solle aufhören und versprach, daß ich volle Kontrolle haben würde“, so Sophie B. Die „omnisexuelle“ Frau lebt heute in Venice Beach in L.A. und hat es sich offenbar in den Kopf gesetzt, jedes Instrument von Alphorn bis Zaxofon zu lernen: Mit 14 Jahren begann sie mit dem Schlagzeug, derzeit übt sie Cello und auf ihrem neuen Album spielt sie Piano, Gitarre, Udu, Djembe, Percussion, Vibraphon, Marimba und – wie gesagt – auch ein bißchen Banjo. Nach den Zankereien um dieses Instrument liegt nun ein Album vor, das genauso klingt, wie es Frau Hawkins haben wollte. TIMBRE ist im Ganzen das willensstarke Werk einer einzigartigen Künstlerin, pendelt im Detail aber unentschlossen zwischen besserem Radiopop („Strange Thing“, „I Walk Alone“), kraftvoll lyrischer Dramatik („YourTongue LikeThe Sun In My Mouth“) und leichten, traumschönen Balladen („Bare TheWeight OfMe“), letztes mit märchenhaft-versponnenem Klaviersolo. In der Mitte steht der Schocker: „The Darkest Childe“ ist verstörend und verwirrend, überraschend und bedrückend, ein nerviger, anstößiger Track, präsent genug, das gesamte Album eckiger erscheinen zu lassen.TIMBRE wirkt bisweilen etwas ziellos, doch selbst durch das etwas wirre „Mmm My Best Friend“ geistert das rebellische Talent dieser Frau, die erst ganz am Anfang ihrer künstlerischen Selbstfindung steht.
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