Spirit – Made In Germany
Am Anfang ist Verwirrung. Die US-Kultband Spirit, beim Rockpalast-Auftritt vor einem knappen Jahr noch von Auflösung bedroht, ist wieder da. Und zwar gleich mit zwei Live-Alben, die sich inhaltlich teilweise überschneiden: Resultat konfuser Vertragsverhältnisse der Gruppe. Die eine Langrille („Spirit Live“) kommt aus England. Sie wurde dort aufgenommen, ist auf einem neuen britischen Zwerglabel erschienen und in Deutschland über den Teldec-Import-Service zu haben. Die andere LP heißt „Made In Germany“ und operiert auf dem Cover-Foto recht geschickt mit dem Rockpalast-Logo. Eingespielt wurde sie allerdings weitab von Germania und Grugahalle: in London und Florida. Alle Klarheiten beseitigt?
Die hörenswerte (und „offiziellere“) von beiden ist „Made in Germany“. In den USA ist sie auf Randy Californias neuem Potatoe-Label erschienen, auf dem er in Kürze auch seine neue Studio-LP veröffentlichen will. Außerhalb Nordamerikas hat er (für den stolzen Lizenzpreis von drei Mark pro Stück) alle Vertriebsrechte an die Bochumer (!) Vertriebsfirma Rimpo abgetreten. Die meldete bereits nach zwei Wochen 10.000 Abgänge in der BRD – ein erfolgversprechender Auftakt. Auch international dürfte „MIG“ die konkurrenzfähigere Rille sein. Pluspunkte: Sie hat mit dem unglaublich laid back gespielten „Rockpalast-Jam“ und dem melodischen Ohrwurm „These Are Words“ zwei Spirit-Novitäten aufzuweisen, auf die „Live“-Kunden leider verzichten müssen. Die können sich stattdessen nur mit einer ollen Kamelle wie „Wild Thing“ trösten. Zwei verschiedene Hendrix-Hommagen („Rock’n’Roll Planet“ hier, „Downer“ dort) gleichen sich unter’m Strich aus. Der Rest des Repertoires ist gleich, zwei Tracks sind sogar identisch. „MIG“ ist indes gründlicher remixed und tontechnisch brillanter als die muffigere englische Pressung. Zusätzlicher Bonus für das deutsche Produkt: informativeres Cover und Songtexte. Alles in allem mehr Platte für’s Geld.
Zur Sache: „Made In Germany“ ist ein Mordsding von einem Live-Album. Mancher Repertoiremanager wird sich in den Hintern beißen, weil er California/ Cassidy/ Knight bei ihrer jüngsten Klinkenputzerei hat abblitzen lassen. Ein hypnotisch-pulsierender Riff-Song wie das neue, herrlich ausgespielte „Looking Down“ beweist die ungebrochene Kreativität des Traumtrios. Ich bin wahrlich kein Freund getrommelter Einlagen, aber sogar Ed Cassidys mit den blanken Fäusten geschlagenes Drum-Solo in dem Uralt-Titel „All The Same“ verströmt eine kontrollierte Vitalität, deren Faszination man sich schwer entziehen kann. Nicht minder hörenswert die anderen Klassiker der zehnjährigen Band: die zeitlos-schöne Schreckensvision „1984“ sowie die Highlights des „Dr. Sardonicus“-Zyklus, „Animal Zoo“ und „Nature’s Way“. 4 (MIG) 3 (Live)
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