SPLIFF – 85 555
Das Musik Express-Lexikon definiert ein Weißmuster als eine Muster-LP, bei der man (aufgrund der jungfräulichen, weißen Label) nicht weiß, wie die Songs heißen, noch wer sie geschrieben gar gesanglich interpretiert hat.
Glücklicherweise habe ich (neben der Anpressung) einen kleinen Informationsvorsprung, weil ich Spliff mit dem neuen Programm bereits ‚live‘ gesehen habe und zudem die Gelegenheit zu einem kurzen Gedankenaustausch mit den Musikern wahrgenommen habe. Ich weiß danach, daß CBS 85 555 keine bewußte Mixtur aller absorbierter Einflüsse der letzten Monate sein soll, daß der LP kein Konzept zugrunde liegt, sondern vier Songschreiber hemmungslos persönlich die ‚Hosen runterlassen durften'(Manne) und die Stücke diesmal inhaltlich und musikalisch keiner ‚dramaturgischen Notwendigkeit untergeordnet sind'(Rakete), wie das noch bei der Radioshow (zwangsläufig) der Fall war. Das neue Spliffmotto (bis zum nächsten Werk) lautet: „Kompromißlos ist geil!“ Wie geil das jedoch die Fans finden werden, die immer noch sehnsüchtig auf die Erfüllung einer Folge 2 der so erfolgreichen Radio Show hoffen, werden die Reaktionen auf die Rock Pop-Nacht im TV, die danach einsetzenden Plattenverkäufe und die Tour im März zeigen.
Für mich war klar, daß die Spliff-Musiker schlau genug sein würden, sich nicht (wie z.B. Meat Loaf) in Selbstplagiaten zu ergehen. Ich hielt es auch immer für einen klugen, taktischen Schachzug, erst einmal die Form der Parodie zu wählen, um als Band damit zusätzliche Reifezeit auf der Suche nach einer eigenen Identität zu gewinnen. Tja, und jetzt sitz ich hier mit den neun Titeln undbinnach mehrmaligem, intensivem Hören noch ähnlich ratlos angesichts der vielfältigen Eindrücke, die auf mich einstürz(t)en und kaum schlauer als nach der ersten Konfrontation beim Konzertdebüt in Dortmund.
Auf Anhieb im Ohr geblieben ist mir Spliff’s vertonte Speisekarte ‚Carbonara‘, ein Euro-Reggae wie auch ‚Jerusalem‘. Spaß machen auch (ohne Einschränkungen) die beiden Beiträge zu den Errungenschaften unserer hochtechnisierten Welt: ‚Computer Sind Doof erzählt Reinholds Problem mit einem falsch programmierten Radiowecker zu einer „Mit Schirm, Charme und Melone“-Krimimelodie und ‚Kill‘, funky und percussiv, beschreibt Szenen aus dem Spielsaion-Alltag (‚Kaut dir einen Krieg …) … Ansonsten gibt’s für’s Geld ein wenig Jazz-Rock-Melodik, Ansätze eines Minimalkonzepts (Drumcomputer) mit Assoziationen zu Gabriel und Collins, Heavy-Rock-Riffs, Schlagernahes … 3 (+ 1 für die namentlich genannten)
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