Steel Pulse – Caught You

„Sound System‘, die jüngste Single von Steel Pulse, stand inhaltlich schon im krassen Gegensatz zur aktuellen, hochbrisanten politischen Thematik ihres letzten Albums. Mit dem eher banalen Text war der Titel zwar eine Ausnahme auf TRIBUTE TO THE MARTYRS – oder just a nice little disco jive, wie Gitarrist Basil mögliche Hitparadenambitionen zu rechtfertigen wußte. Tja, und da stellt sich beim Anhören ihres neuesten Werkes, CAUGHT YOU, bei mir doch Enttäuschung ein, da sich die Anzahl dieser „hübschen kleinen Disco-Liedchen“ diesmal vervielfältigt hat. Denn gerade Steel Pulse zählten bislang, zusammen mit Linton Kwesi Johnson, zu den wichtigsten Vertretern einer neuen Generation britischer Reggae-Interpreten. Mit ihren ersten beiden Platten gelang es ihnen, wie kaum einer anderen Band zuvor, auf die trostlosen Lebensumstände einer schwarzen Arbeiterklasse aufmerksam zu machen, diese vor allem auch einem weißen Publikum zu Bewußtsein zu bringen. Kritik am textlichen Inhalt mag nun ungerechtfertigt erscheinen, aber man sollte die Gruppe einfach am Standard ihrer bisherigen Veröffentlichungen messen. Denn diesmal fehlt die engagierte Stellungnahme zum weltpolitischen Geschehen, wie auch zur afrikanischen Gegenwart nahezu gänzlich. Wenn auch persönliche Erfahrungen mit der Gerichtsbarkeit, mit Polizeiwillkür und dem Rauschgiftdezernat die unverändert kompromißlose Grundhaltung gegen das bestehende System ausdrücken. Aber fundierte politische Agitation wirkt nur allzu leicht unglaubwürdig, wenn David Hinds unmittelbar darauf sorglosrelaxed die Blütenpracht einer sommerlichen Wiese besingt. „Sunshine is shining/the sun is the light/ the moon and the stars/that guidei in the day and loves in the night…“ (Shining). Das ist die eine Seite.

Musikalisch hingegen hat die Band, seit der Trennung von Island-Produzent Karl Pitterson, enorm an Substanz gewonnen. Die Kompositionen sind diesmal einfacher, gradliniger, schlichter gehalten. Die Melodien eingängiger als auf TRIBUTE… ideal unterstützt von dem sauberen, mehrstimmigen Satzgesang. Die Arrangements werden durch den Einsatz von Mellotron, Akustikgitarre und Mundharmonika aufgelockert, auf obligatorische Dub-Effekte wird leider fast vollständig verzichtet. So gesehen hinterläßt CAUGHT YOU insgesamt einen recht zwiespältigen Eindruck, aber Stücke wie „Drug Squad“, „Herassment“ und das spirituelle „Higher Than High“ geben zu der Hoffnung Anlaß, daß die Band bald wieder konsequent ihre mit HANDSWÖRTH REVOLUTION eingeschlagene Richtung weiterverfolgt.