Suede :: Dog Man Star

Unlängst eine Umfrage auf just dieser Website, die Sie gerade besuchen: „Wer ist die ultimative Band des Britpop?“ Antwort- möglichkeiten: „Oasis, Blur, Travis, Coldplay, The Verve“. Klar, dass Menschen, denen der Sonnenschein in den 90ern von Supergrass‘ „Alright“ vertont wurde und denen die Physiognomie Justine Frischmanns oder Brett Andersons die jeweilige Sexual- orientierung untermauerten, Lücken in dieser Aufzählung übel aufstoßen. Aber Nestbeschmutzung ist nicht das Ansinnen dieser Zeilen. Es geht vielmehr um ein Anliegen, das gelesen und danach eben auch Gehör finden will! Der Stichname ist bereits gefallen: Brett Anderson, Gänsehautstimme von Suede (zu deren Urbesetzung auch die bereits genannte Frischmann gehörte). Ein 90s-Update des prototypischen Rockexzesslers. Eine Schönheit so wie man sich das Kind von Bryan Ferry und David Bowie vorstellt. Noch vor Veröffentlichung ihrer ersten Single prangten Suede als „the best new band in Britain“ auf dem Cover des britischen Melody Maker. Nachdem ihr fulminantes Debüt die Charts sprengte, endeten zumindest in England die Trauerjahre, die das Ende der Smiths nötig gemacht hatte. Poesie und Rebellion waren in den Pop zurückgekehrt.Dann erschien das zweite Album DOG MAN STAR und die Band zerbrach fast daran. Übergitarrist Bernard Butler hatte bereits während der Aufnahmen im Streit die Studiotüre zu- und nie wieder aufgemacht. Dann brachte die Platte nicht den erwarteten kommerziellen Erfolg. Schließlich war 1994; Blur und Oasis hatten sich auf dem Spielfeld breit gemacht und Suede auf die Ersatzbank verwiesen. Dazu verwandelten sich die Jubelschreie der Kritiker in Buhrufe. Der ME erkannte in den zwölf Songs nichts außer „schwerfällige Hymnen, die nie richtig starten, Rock- Songs, die einfach überdreht sind und Balladen, die immer eine Idee zuviel Echo auf dem Gesang haben.“ Anderson fiel in ein tiefes Loch und flehte Crack und Heroin an, ihn von dort wieder herauszuziehen. Zu dumm, dass Drogen nicht zuhören können. Zu dumm, dass sich dies auch bei vielen Menschen so verhält. Sonst wäre DOG MAN STAR nicht den Weg in den Abgrund gegangen, den es gramgebeugt gehen musste. Es wäre erhaben marschiert wie sein stoischer Auftakt „Introducing The Band“. Es hätte die Welt wie der charismatischste Anführer der wütendsten Studentenbewegung zu den street fighting Klängen von „We Are The Pigs“ nach draußen gelockt und hätte „wie der Morgen geleuchtet“, wie es „The Wild Ones“ versprach. Schlussendlich wäre es in den Himmel gefahren wie seine majestätische Coda „Still Life“.DOG MAN STAR ist eine architektonische und sozialpolitische Meisterleistung. Ein unendliches Hochhaus, in dem Verzweiflung, Entrüstung, Exzentrik, Romantik und Anmut in perfekter Harmonie zusammenleben und orchestrale Kammermusik spielen. Dass nur eine Minderheit bereit war, dort mit einzu- ziehen, trägt zwar bis heute zur mystischen Tragik dieses Kunstwerks bei. Um ein paar neue Bewohner dürfte sich die Platte aber dennoch freuen.

Stephan Rehm – 09.09.2008

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