Es beginnt mit einem langsamen, bluesigen Solo, das man flüchtig betrachtet für ein Schweinerockgitarrensolo halten darf. Was es aber nicht ist, weil es auch von Frank Zappa oder von Carlos Santana stammen könnte. Und die waren keine Schweine. Zappa nie und Santana zumindest bis in die mittleren 70er Jahre nicht. Und schon sind wir mitten drin im musikalischen Diskurs. Geschichtsunterrricht für Geschichtslose. The Mars Volta wollen uns mitteilen, dass Zappa und Santana hervorragende Gitarristen waren. Dann ist das Solo kein Solo mehr, weil zu der Gitarre eine Stimme kommt, die das Instrument Note für Note begleitet, oder umgekehrt, bis der Song in einem freejazzigen marokkanischem Trance-Geflöte endet. The Mars Volta dürfen ihre Platten mit einem Schweinerockgitarrensolo eröffnen, das keines ist. The Mars Volta dürfen auch ihre Songs „Tetragrammaton“ nennen und „Vermidde“ und „Meccamptechture“ und sich den, der das Tracklisting liest, fühlen lassen wie einen Analphabeten. „Tetragrammaton ist hübsches progiges Gitarrengegniedel. So original 70er Jahre, so King Crimson haben Omar Rodriguez-Lopez und Cedric Baxter wahrscheinlich noch nie geklungen. Circa eineinhalb Minuten lang, weil eine „Idee“ nicht endlos ausgewalzt wird, sondern in diesem 16-Minuten-Stück so viele Ideen stecken, die einer anderen Band für eine 40-jährige Karriere reichen inkl. drei Splits und zwei Wiedervereinigungen. Dazu gibt es spanischen Space-Folk aus dem psychoaktiven Übungsraum [„Asilos Magdalena“], rückwärtsgespielte Tape-Loops, schwellende Keyboards, lyrisches Gitarrenspiel aus dem Nebenzimmer, Rock-Rock-Breaks, sieben Tempowechsel in zehn Minuten, und irgendwo tut John Frusciante mit herum. Das ist Prog-Rockmit Free-Jazz-Ansatz. Wie Van der Graaf Generator, nur ganz anders. Es gibt ja manchmal verbraucherfreundliche Empfehlungen in Plattenkritiken. Nimm diese: Wem sich die Band noch nicht erschlossen hat, weil die Musik körperliches Unbehagen erzeugt, wer sich aberdiese Band gerne erschließen will, weil er glaubt, damit sein Leben bereichern zu können, sollte es noch einmal mit amputechture versuchen. Das dritte Album von The Mars Volta ist das zugänglichste, trotz des fortgesetzten musikalischen Wahnsinns. VÖ 8.9.

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