The Pale Orchestra Conducted By David Thomas – Mirror Man – Act 1: Jack & The General
Der Plattenfirmen-Waschzettel ergeht sich in wildem Feuilleton-Geschwafel „von kulturellen Reaktionsmustern sozialchemischer Versuchsordnungen, der Tyrannei des formellen Korsetts und der internalisierten Topographie des Schalls“: ein ziemlich hilfloser Versuch, die Musik von David Thomas zu beschreiben. Aber auch dem Kritiker ergeht es kaum anders. Denn der Chef von PereUbu hat sich diesmal an ein Projekt gewagt, das kaum in Worte zu fassen ist und noch am ehesten Ähnlichkeit mit Musik-Theater, Rock-Performance und Spoken-Word-Experimenten hat. Klar, daß Thomas für sein Pale Orchestra nur musikalische Weltenwanderer brauchen konnte. So gewann er Jackie Leven, Linda Thompson (Richards Frau) oder den New York-Aktivisten Daved Hild als Sänger. Ex-James-Trompeter Andy Diagram stößt ins Hörn, und Avantgarde-Maestro Chris Cutler (Henry Cow, Art Bears) bedient das elektrische Drumkit. Peter Hammill schließlich zelebriert auf Gitarre, Keyboard und Harmonium dunkle Klanggebilde. Daß diese vielen Köche keineswegs den Brei verderben, spricht für Thomas. Er läßt seinem Orchester freien Lauf beim Entwurf (alp-)traumhafter Soundscapes, die dank der stimmgewaltigen Erzähler nie die Bodenhaftung verlieren. Wer da intellektuelles Gedöns argwöhnt, liegt falsch: Während sich der geistig verwandte (und ebenfalls brillante) Hector Zazou meist in assoziativen Schwebe-Sounds ergeht, findet man auf MIRROR MAN bluesig-erdige Rockpoesie, die Vergleiche mit Tom Waits, Jim Morrison und Captain Beefheart gestattet. Da die CD übrigens nur den ersten von zwei Akten enthält, dürfen wir uns schon jetzt auf das nächste ideengewaltige Epos freuen.
Mehr News und Stories