The Pop Group – Y

„This ain’t rock’n roll, this is genocide!“ ‚Future Legend’/ Bowie.

„Wir sehen jetzt durch einen Spiegel rätselhaft.“ Paulus.

Das Cover: ein afrikanischer Stamm versammelt sich. Das Poster im Cover: eine Collage aus Momentaufnahmen des Terrors und der Gewalt; Einzelpersonen und Gruppen, Zerstörung/ Raserei/Organisation/ leere, unergründliche Gesichter. Darüber liegen die Texte der Songs, emotionsgeladene Titel, die Frustration / Aufruhr / Offenbarung / Qual und Leid vermitteln. Diese Gedankenmontage stellt alles in Frage; sie wirft Ideen auf, doch bezieht sie keine Stellung. Ein bewußter Widerspruch liegt in den Texten selbst. Alles ist offen / mehrdeutig – so wie der Titel ‚Y „Smash the sound barrier, catch the speed of light, bury the sun, and drink up drink up the night. Paint a new sound, strike a new colour!“ ‚Don’t Sell Your Dreams’/Pop Group.

Die Pop Group benutzt die Grund-Instrumente der Rock-Musk (Gitarre / Baß / Drums / Gesang und vereinzelt Saxophon), doch sie erforscht jedes einzelne Instrument. Die Musik / Töne ist/ sind primitiv und intensiv emotional; Emotionen werden in den Wörtern und in den Geräuschen enthüllt. ‚Y‘ ist eine Montage aus verschiedenen Instrumenten, die beim Hören eine Gruppeneinheit bildet und gleichzeitig bewußt macht, daß Gitarre / Baß / Schlagzeug / Gesang getrennte Rollen / Funktionen haben. Pointillistische Vorgehensweise: die fliessende Ton-Aneinanderreihung wird ersetzt durch isolierte Instrument-Teile, die erst beim Anhören eine (brodelnde) Einheit bilden. Instrumente / Töne werden punktartig nebeneinandergesetzt, die Addition übernehmen wir mit dem Ohr. Der Effekt der Pop Group-Musik auf dein Ohr: totale Verwirrung / Störung der Sinne und Gefühle; Infragestellung von Regeln und Konzepten (nicht nur der Musik).

Und: diese Musik ist mehrdimensional, Hören / Sehen. Y‘ berührt außer den Rock-Gebieten den Jazz, das Barock und die Elektronik. Die Produktion des Albums übernahm der Reggae-Mann Dennis Bovell von Matumbi zusammen mit der Pop Group. Schwarz trifft auf Weiß. Die Gruppe hat auf ein Copyright der Songs verzichtet, weil man will, daß jeder diese Töne übernehmen kann, ohne vorher durch die Verwaltung laufen zu müssen. Keine Konzessionen an die Rock-Geschäf ts-Maschinerie!

Die Songs / Töne: Seite 1 bringt zusammenhängende Stücke, wo sich die Instrumente noch treffen. Und hier kommt auch am intensivsten rüber, was die Y‘-Musik will. Anregen. Zum Denken / Fühlen. Bewußtmachen. Wenn sich Seite 1 auf dem Teller dreht und du den auf dem Label abgebildeteten Vietnam-Offizier-Killer beim Erschießen des gefesselten Vietcong betrachtest, dazu den Ton / die Wortfetzen ‚mercenary .. missionary .. mercenary .. missionary .. what does it feel like to kill a man‘ wahrnimmst, die dir in die Ohren fliegen, dann verstehst du, was diese Gruppe will / macht. Der Gesang ist zügellos / anarchisch / angstgetrieben / qualvoll; du weißt, was gemeint ist, ohne die Texte nachlesen zu müssen! Die Musik bildet einen Kontra-Punkt zu den Inhalten der Texte (Unterdrückung / Sklaverei / Folter) – sie ist frei! Sound-Verzerrungen / Echo / Brechen / James Brown-Rhythmik.

Auf der Seite 2 gleitet das alles (leider) zu sehr in eine willkürliche / zufällige Vorgehensweise ab; der Gesang steht viel zu stark im Vordergrund, während man die Drums fast vergraben hat. Ok, ,Y‘ ist eine Platte, mit der man sich auseinandersetzen muß, jeder für sich. Texte lesen, Bilder sehen und Töne hören. Man muß seinen Kopf gebrauchen; denn was nützt es / oder wem, wenn man in Fußball-Chor-Manier nach gesellschaftlichen / politischen Veränderungen grölt (Sham 69 / Tom Robinson Band)?

Die Pop Group ist eine englische Gruppe. Während du zur Pop Muzic der Gruppe ‚M‘ mitsummen kannst ‚lall lall la lal la lall‘ (also lull / lull / lull = einlullen), reißt dich ‚Y‘ der ‚Pop Group‘ aus dem Schlaf.