The Singles

THE SINGLES Neulich hatten wir ja schon mal von „richtigen“ Singles gelabert. Solchen, die zwischen zwei Alben veröffentlicht werden und deren Songs (hoffentlich) auf keinem der beiden Alben, zwischen denen sie erscheinen, auftauchen, damit sich der, der die richtige Single gekauft hat, später nicht ärgern muß. The Futureheads bringen mit „Area“ (679 Recordings – UK-Import) auch so eine richtige Single heraus, bevor wir uns im März lieber anschnallen sollten, weil dann das zweite Album der Band kommt. Hier hat es drei gehetzte, knackige Wave-Pop-Hymnen, die man jetzt, nachdem sich der erste Referenzrauch verzogen hat, gerne als „typisch Futureheads“ bezeichnen darf.

Apropos bezeichnen dürfen. Darf man Die Goldenen Zitronen auf ihre alten Tage die neuen Der Plan nennen? Nee, ne? „Gevatter Böhm erzählt/Wenn ich ein Turnschuh wär“ (Buback/Indigo) ist eine Doppel-A-Seiten-Single, die es nur auf 7-Inch gibt. Das Turnschuh-Lied liefert ein weiteres Indiz dafür, daß das schöne, alte Wort „Turnschuh“ demnächst wieder in aller Munde sein wird und dafür, daß man für aus der Zeit geratenen Elektro-Disco-Dada-Pop immer ein Eckchen im Plattenschrank freihalten sollte. Mit einer schön-penetranten Synthie-Hook, die nach anderthalb Minuten von einem schön-penetranten Schlagzeug-Bumms unterstützt wird, hangeln sich die Zitronen durch die, ja, unterhaltsamsten fünf Minuten Deutsch-Pop der letzten paar Monate. Zeilen wie diese gibt’s kostenlos dazu: „Über euer Scheiß-Mittelmeer kam ich, wenn ich ein Turnschuh wär. Oder als Flachbildscheiß, ich hätte wenigstens einen Preis.“

Kate Mosh ist erstmal einer dieser Ich-lach-mich-jetzt-aber-echt-total-voll-krass-kaputt-ey-Bandnamen in der Tradition von Sharon Stoned [kennt die noch jemand?). Der Name verrät auch gleich, daß diese Band aus I dem Mutterland des Humors kommen muß, Deutschland. Genauer: aus der Mutterstadt des Humors im Mutterland des Humors: Berlin. Wer sich trotzdem die EP „4 A.M. And It’s Already Hell“ (Nois-O-Lution) anhört – man beachte auch hier das subtile humoristische Wortspiel -. wird überrascht werden von fünf kleinen, schweinischen Indie-Rock-Krachern, die sich gewaschen haben. Noise-Rock in gut. Post-Hardcore in besser. Emo würden manche dazu sagen, At The Drive-In mit dem Sänger von The Rapture, sagen wir mal.

Nach dem relativ stillen Ableben der gar nicht mal so schlechten Angelika Express firmiert deren Sänger, Gitarrist und Songschreiber Robert Drakogiannakis mit der Punksängerin Jenny Fey nun als Duo Planetakis. Die 6-Track-EP „Beautiful Today“ (Crafty Recordings/PIAS/Rough Trade) ist ein bißchen hüftsteifer und eckiger, die 80er Jahre glorifizierender Elektro-Punk. wobei aber der Titeltrack schon ein kleiner Indie-Hit werden könnte.

7-Inch. Weißes Vinyl. Schon mal gut. Janine Rostron, eine Britin, die in Berlin lebt, ist Planningtorock. Sie hat mit „Changes/I Wanna Bite Ya“ (Chicks On Speed Records/Hausmusik/Indigo) einen leicht enervierenden Laurie-Anderson-haften Kunst-Rock erschaffen – „erschaffen“ ist, glaube ich, genau das richtige Wort für sowas -, den die Art-School- und Video-Installierer, die auch mal ein bißchen Musik machen wollen, gerne so erschaffen. Über den Plan zu rocken, oder was auch immer, geht das dann aber leider nicht hinaus. Das schreit nach einem Rernix aus Fleisch oder Fisch. James Murphy, bitte übernehmen Sie.

Was Prince betrifft, so schlagen gleich mehrere Herzen in der Brust des Singleskastenschreibers. Einerseits will er, der Singleskastenschreiber, daß Prince keine Scheiße produziert, andererseits macht er, Prince, es ja immer wieder leidenschaftlich gerne, das Scheißeproduzieren. Die neue Single „Te Arno Corazón“ (Universal), die es zunächst nur als Download gibt und später erst „physisch“, ist genau 14 Sekunden lang der beste Prince-Song aller Zeiten, wenn ein dunkler, jazziger, funky Vibe den Eindruck erweckt, es würde gleich etwas Groß- und Pharrell-Williams-artiges passieren. Was aber dann passiert, ist ein nicht aus dem Quark kommender, laaaaangweiliger „Radiosong“, der wahrscheinlich Princens most recent, 1.60 Meter großer Latino-Frau gewidmet ist.

Das neueste Ding aus dem Cannabis-Dunst-Kreis von Devendra Banhart und CocoRosie heißt Tarantula A.D. Die 5-Track-EP „Atlantic“ (Kemado Records) vorbotet das Debütalbum, das Mitte Februar erscheinen soll. Stellen Sie sich vor, Godspeed! You Black Emperor hätten Violine, Cello und Melodica als Hauptinstrumente im Einsatz und keine Dronegitarren, dann ist das schon sehr nahe dran an dem Trio aus New York. Arcade Fire für intellektuelle Stubenhocker. Gewaltige Epen, fiebrige Valium-Traum-Folk-Ambient-Musik, die gerne mal mit der Dynamik spielt. Irgendwo zwischen Astor Piazzola und Led Zeppelins „Dazed And Confused“ in der 26-Minuten-Version. Und irgendwo im Hintergrund jodelt auch noch Coco-Rosies Bianca Casady herum. Juhu!

Hmm, schauen wir mal, ob sich bei 200 Sachen in den vergangenen zwei Monaten was geändert hat. Leider nein: Wer in der glücklichen Lage ist. Besitzer eines Autos zu sein, das 200 Sachen „macht“, sollte sich an dem Ort, an dem „Sekt zum Frühstück“ (Columbia/Sony BMG) läuft, in eben dieses begeben und sich mit der oben angegebenen Geschwindigkeit entfernen. Wahrscheinlich wird er dadurch ein glücklicherer Mensch werden.