The Singles
Wer gedacht hat, Ween hätten mit „Friends das finale Statement zur rockenrolligen Aufarbeitung von 90er-Jahre-Euro-Dance-Trance-Techno abgegeben, hat die neue Single von Bloc Party noch nicht gehört. „Flux“(Wichita/V2/Universal) ist flirrendes Trance-Geballer mit Scooter-Rhythmus und Vocoder-Stimme. Dasselbe gibt’s dann (download only) in der sehr komischen „German Version“, deren Text nicht unbedingt besser zu verstehen ist als der der englischen. Die B-Seite „Emma Kate’s Accident“ klingt wie wenn Coldptay plötzlich Psych-Blues-Balladen spielen könnten. Freilich spinnen Bloc Party ein bisschen, aber auf allersympathischtem Niveau.
Wenn dann einer mal eine „ungewöhnliche Coverversion“™ mit draufpackt auf eine Single ist unsereins ja schon froh. Wir sind ja ständig auf der Suche nach einem geilen Aufhänger, der unsere geilen Stories noch viel geiler macht. Fink (UK), unbestrittener Meister des Neo-Folk aus England, hat das auf „Little Blue Mailbox“ (Ninja Tune/RoughTrade) getan. Er covert „The Model“ von Kraftwerk. Das mag jetzt nicht unbedingt das originellste Ergebnis eines wochenlangen Brainstormings zum Thema „Welche ungewöhnliche Coverversion packe ich denn jetzt mit drauf auf meine Single?“ sein, aber das Ergebnis allerdings gibt dem Fink (UK) Recht: Spooky, Psych-Folk, wie Young Marble Giants in heute und immer noch gut.
Jetzt, da ja L-E-I-D-E-R der stinknormale Bluesrock zurückzukommen droht (Jackson Analogue, TheChecks et al), muss man schon ganz genau sein mit der Entscheidung, welche Partition des Musikgeschmackszentrums im Gehirn auf diese von I Grund auf geschmacksverirrte Musik mit wie viel Speicherplatz und von welcher Band eingenommen werden soll. Sagen wir mal: The Heavy. Zwar besteht die A-Seite von „In The Morning/You Don’t Know“ (Counter/RoughTrade) nur aus so normalem Bluesgerocke. aber die AA-Seite! „You Don’t Know“ ist ein tonnenschweres Ungetüm von Song mit Psychgitarren und manischem Gesang der Jon-Spencer-Extraklasse. Die anderen können ja ein bisschen Led Zeppelin hören.
Jetzt endlich was Elektronisches: „Don & Sherri“(Ghostly International/Kompakt) war der tanzbarste, clubbigste Track von Matthew Dears „Pop“-Album Asa Breed. Auf dieser 12-Inch hat es einen Remix des Tracks von M.A.N.D.Y.(kühl-technoid)die „Hot Chip Version“ (kein Remix im engeren Sinn, sondern eine Neuaufnahme des Tracks inklusive Gesang von Joe Goddard), das „Hot Chip Instrumental“ plus den „DJ Koze Remix“ des Tracks „Elementary Lover“.
Wenn der Begriff „Indietronics“ nicht so fürchterlich und schlimm wäre, würden wir den gleich mit krakeliger Schrift auf einen gelben Zettel mit selbstklebenden Eigenschaften schreiben und auf das Cover von „Cold Comfort“(Sinnbus/Alive) pappen. Die EP von I Might Be Wrong ist voller wundersamer Singer/Songwriter-Popmusik, die von plinkernden, knarzenden elektronischen Texturen durchsetzt ist. Dazu die stereolabishe Stimme von Lisa von Billerbeck. Ich hab auch mal einen von Billerbeck gekannt.
Sätze wie „Freunde von Spacemen 3, The Jesus & Mary Jane und Mogwai, aufgepasst!“ wollen wir hier nicht lesen. Dennoch schießt dieser Satz wie von selbst vom Gehrin durch die Finger in die Tastatur hinein bei der ersten Anhörung von „Lifeline“ I (Hydra Head/Indigo) von Jesu. Das ist eine fast Full-album-length-EP mit zähflüssigem, Lava-heißem Psych-Drone-Prog-Pop, der dir das Schmalz aus den Ohren zieht.
Freunde von Saddle Creek, aufgepasst! Bei Lightspeed Champion handelt es sich um einen durchgeknallten™ Singer/Songwriter, der sich der Omaha-Posse bedient – Mike Mogis hat produziert, Menschen von Tilly & The Wall und Son.Ambulance dürfen auf „Midnight Surprise“ (Domino/Rough Trade) mit rumtun. Beim Titelsong handelt es sich um eine fast zehnminütige, dreiteilige „Suite“, in deren Verlauf alle feuchten Hippie-Singer/Songwriter-Bombast-Schmalz-Badly-Drawn-Boy-Arrangementwunder-Träume wahr werden. Die B-Seite: „The Flesh Failers (Let The Sunshine In“). Ja. genau, das Lied aus „Hair“ Abschließendes Urteil: noch nicht gebildet.
Es ist lediglich eine Frage des Lay-outs dieser Rubrik, weshalb sehr präzise und knappe Aussagen, die theoretisch über die Single einer Band getroffen werden könnten, praktisch in die Länge gezogen werden müssen. Denn: Der Platz neben dem Cover I muss mit Buchstaben gefüllt werden. Sonst käme unser Artdirector daher und würde -zu Recht- einen Satz sagen wie „Das geht gar nicht!“. Wenn diese gestalterisch bedingten Zwänge nicht bestünden, könnte man anhand der Single „Teenagers“ (Reprise/Warner) einfach schreiben: My Chemical Romance sind immer noch eine Scheißband.
Ziemlich viel chemisch beeinflusste Musik diesen Monat, finden Sie nicht? White Magic (hier mit dem Überallmitmacher Jim White) hauen mit „Dark Stars“ (Drag City/Rough Trade) eine 20-minütige Single mit vier Tracks raus, auf der sich prog-rockige Psyechdelia, circa ArcadeFire auf halber Geschwindigkeit, und gefühlter Jazzgesang zu einem sonderbaren postmodernen Space-Folkzusammenfügen. Dass es sowas heutzuage noch gibt. Wundert uns gar nicht. Denn es gibt ja alles. Heutzutage.
Wenn man öffentlich die Frisur von Robyn kritisiert, ist das dann als Akt der Frauenfeindlichkeit zu bewerten oder als Akt der Scheißfrisurenfeindlichkeit? Wenn doch nur Eva Herman hier wäre, die wüsste sicher die rechte Antwort auf diese diffzile Fragestellung, weil sie sich sowohl mit Frauen als auch mit Scheißfrisuren auskennt. Wenigstens ist „With Every Heartbeat“ (Konichiwa/Ministry Of Sound/Edel), die neue Single der schwedischen Sängerin, hier. Passend zur Frisur der Sängerin: gar nicht mal so sensationeller 80er-Jahre-Retro-Elektro-Pop mit genau vier mehr oder weniger zwingenden bis käsigen Remixen des Tracks.
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