Tindersticks – Tindersticks :: Die Platte des Monats: Zauberhaft – Herbe Romantik aus dem Folk-Untergrund
Wer steckt eigentlich hinter diesem faszinierenden Sextett, das mit seinem Debütalbum unglaublich lässig die Sterne vom Folkrock-Himmel holt? Das Booklet schweigt sich aus, und auch die Plattenfirma weiß zunächst nichts Genaues zu berichten über diese Newcomer, die selbst in ihrer englischen Heimat bis vor kurzem noch ein unbeschriebenes Blatt waren.
Vor einigen Monaten versetzten die Tindersticks mit zwei in Eigenregie herausgegebenen Singles die englische Musikpresse allerdings derart in Aufruhr, daß sie fortan als „heißeste britische Band ohne Platten-Deal“ gehandelt wurden. Die wenigsten wußten zu diesem Zeitpunkt, daß das Label This Way Up den dicken Fisch schon längst an Land gezogen hatte und bereits an der Veröffentlichung des ersten Albums arbeitete.
Tindersticks sperren sich mit ihrer introvertierten Musik selbstbewußt gegen eine vorschnelle Kategorisierung. Und genau das ist es, was den 21 Songs ihres Debüts — darunter natürlich auch die beiden Seifmade-Singles — diese schwerelose, unprätentiöse Zauberkraft verleiht. Hier sind noch echte Romantiker am Werk, die auch in Nick Caves intensiver Tristesse und dem asketischen Moll-Nihilismus eines Lou Reed geübt sind. Chef-Tinderstick Stuart Sticks (Foto) leitet mit seinem lethargischen Sprechgesang durch ein schillerndes Folkrock-Panoptikum, das verschlungenen Gitarrenlinien oder einer fiebrigen Hammond-Orgel immer genug Raum läßt. Den eigentlichen Reiz machen jedoch erst subtil eingesetzte, exotische Instrumente wie Geige, Oboe, Xylophon oder Trompete aus, die dem Werk eine Extraportion Untergrund-Charme verleihen.
Ihre herb-schönen Songs, die die sechs Engländer stellenweise bis aufs musikalische Skelett reduzieren, verströmen dieselbe irrationale und morbide Faszination, mit der sich auch die Melodien antiker Spieldosen unaufhaltsam in das Unterbewußtsein schrauben. Kein Wunder also, daß der lakonische Zauber des 77minütigen Folk-Trips noch lange nach dem Ausklingen beharrlich weiter durch die Gehörgänge spukt. Falls Michael Stipe schlau ist, wird er die Tindersticks als Support für die nächste R.E.M.-Tour engagieren. Denn harte Konkurrenz motiviert ja bekanntlich zu erstaunlichen Spitzenleistungen.
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