Ton Steine Scherben

Scherben

Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: SCHERBEN, das fünfte Scherben-Opus, hat eine runde Sechs-Sterne-Wertung verdient. Nicht nur, weil ihre Produktion diesmal unter einem guten Stern stand (Studio und Aufnahmetechnik entsprachen endlich einmal modernen Bedingungen) und die Sound-Hebamme Jon Caffery für eine leichte Geburt und deftige Töne sorgte, sondern auch und gerade wegen der breiten Stimmungsvielfalt, dem dichten Beziehungsgefüge aus Text, Musik und Zitat, der Menschlichkeit, die aus diesen Rillen strömt.

Von der topfiten, teambewußten Rock-Fraktion aus Friesenhagen imponiert besonders Freizeit-Franzose R.P.S. Lanrue, der hie und da Riffs raushämmert, daß Keith Richards vor Neid erblassen würde (hätte er nicht dem Nachgeborenen so manche Vorlage selbst hingelegt.) Treffsicher und souverän wie immer auch Rio Reiser,‘ der in seiner friesischen Abgeschiedenheit Poeme schmiedet, die in der Republik ihresgleichen suchen. So etwa die bissige Singalong-Skizze in „Sternschnuppen“: „Gib mir Fleisch und Blut. Gib mir Sinn/laß mich spüren, daß ich bin!/Gründe zu sterben, Gründe zu leben/Die Antwort jetzt wer kann sie geben?“ Es ist diese den Scherben eigentümliche Mischung aus Wut, Poesie, Schmerz, aus Verzweiflung, Aufbegehren, Liebe und Traum, der sie zu einer Klammer macht für all jene, die in Musik mehr suchen als kommerzielle Tagespolitik.

Sicher, es gäbe noch viel zu erzählen über SCHERBEN, über die lässige BRD-Miniatur in „Hau ab“ („Hier wächst auf allen Steinen Moos, hier sind die Zwerge riesengroß/Auf dieser Insel ist nichts los“), über ihren Flirt mit Schlager-nahen Melodien, die Verwendung melodramatischer Chöre („Fieber“), über das schwoofige „Mama war so“, das elegische „Regentag“, Rios Vorliebe für Karl-May-Themen, über die Sprachverwirrung in „La Response“, Hannes Eyber, der beim Texten half und und und… Roses for Rio & Co.