Toyah Safari – Sheep Farming In Barnet
Man vergleicht Toyah Willcox mit Kate Bush oder Lene Lovich, die Musik ihrer Band manchmal mit der von Roxy Music. Man wirft ihr mittlerweile auch vor, sich fürchterlich anzustrengen, um ja aufzufallen; nicht ohne Grund gehört ihr Live-Act zu den derzeit heißesten Tips der Londoner Clubszene. Von der eher ekelerregenden Pyromanin Mad in Derek Jarmans Film „Jubilee“ über das immer abgeschobene Blondchen in „Quadrophenia“ fand die Schauspielerin Toyah nun zur Rolle des buntschillernden Kobolds der post-post-Punk-Generation. Sie experimentiert mit Fantasie und jongliert nahezu meisterhaft mit den Verlockungen einer schönen neuen Sound weit, die -zugegeben – andere vor ihr zwar entdeckten, die aber noch viele Inspirationen für zahlreiche neue Bands bereithält. Man muß nur damit umzugehen wissen. Toyah (auch als Band betrachtet) versteht es.
Der fatale Ausdruck, den die Person Toyah möglicherweise beansprucht, bleibt auf Platte allerdings im Stadium eines unberechenbaren Kobolds stecken, der sich nicht so recht zwischen Himmel und Hölle („Heaven“ heißt die eine und „Hell“ die andere LP-Seite) entscheiden kann. Toyah hat keine aggressive und auch keine schneidende Stimme, sondern ursprünglich ein mädchenhaftes, fast lyrisch weiches Organ. Vorsicht ist trotzdem geboten, wenn sie vor versponnener Kulisse aus Mellotronschwaden säuselt wie eine übergeschnappte Elfe – der Wahnsinn spaziert hier Hand in Hand mit romantischen Schüben. Unheilvoll ist Toyah eigentlich nur auf spielerische Art. Die Stimme schleppt sie schon mal träge hinter sich her; läßt sie in die Tiefe rutschen oder einfach nach oben entgleisen – flüchtige Assoziationen zu Kate Bush (tatsächlich!) oder zu Nina Hagen. Und natürlich die Kiekser, ja ja Lene Lovich! (Und wo wir schon bei den Vergleichen sind: Das Intro zu „Our Movie“ klingt tatsächlich nach „Love Is The Drug“ von Roxy Music sowie auch einige wenige Sax- oder Oboen-Einlagen. Erledigt).
Toyah befindet sich in ständiger Spannung zwischen lauernder Schmeichelei und sprunghaften Energieausbrüchen. Die Band läßt sich dabei zu Pogo-Stimmung animieren so wie zu lyrischen Zauberlandschaften. Gut dosierte Synthesizerschauer oder weicher melodischer Gitarrenrock, zerfliessende Experimentalteile oder monotone Rhythmen: eine unterschwellige Harmonie verhindert dabei stets, daß uns bei Toyahs Absonderlichkeiten ein ernsthaftes Grauen überfällt, es sei denn, man hört sich ihre Geschichten allzu genau an. Als stöhnendes Opfer einer Vivisektion habe ich noch keinen auf LP erlebt, und darauf, ihren Körper als leuchtende Gebärmutter zu bezeichnen, ist bisher noch nicht mal Nina Hagen gekommen… („Neon Womb“ – Womb = Gebärmutter, Mutterschoß -Langenscheidt)
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