Traffic – Mr. Fantasy/Traffic/John Barleycorn
Manche Bands verschwinden auf mysteriöse Weise aus dem Bewusstsein der Fans. Während weitaus weniger profilierte Kollegen im kollektiven Gedächtnis haften bleiben, sind jene oft nur noch einer Handvoll Fans und einigen Musikerkollegen ein Begriff. Auch Traffic sind so ein Fall. Obwohl die Band scheinbar untrennbar verbunden war mit den Begriffen Psychedelia und Hippie-Ethos, war ihre künstlerische Entwicklung bei näherer Betrachtung wesentlich differenzierter und weit weniger stereotyp, als es das Hippieklischee vermuten ließe. Drei frühe, die britische Rockszene maßgeblich beeinflussendeTraffic-Alben erscheinen nun, mit zahlreichen Bonustracks angereichert und tontechnisch auf den neuesten Stand gebracht, auf CD. Wie Traffic in den ersten Monaten ihrer Existenz in einer Land-Wohngemeinschaft im britischen Berkshire ihre Zeit verbrachten, wissen wohl nur die Beteiligten selbst-Journalisten, Fotografen und Manager waren nur zu kurzen Stippvisiten zugelassen. Optisch schlug sich die Fraternisierung in der Kommune in jenem Logo nieder, das sämtliche Traffic-Veröffentlichungen an irgendeiner Stelle zieren sollte: Ein verschnörkeltes graphisches Symbol, das in der Mitte ein Quadrat zeigt, von dessen Ecken vier Pfeile ausgingen, die gemeinsam einen Kreis bilden – sozusagen die Quadratur des Kreises als schöngeistiges Symbol für das gegenseitige Verständnis der vier Musiker. Dass die Klausur in Berkshire nicht nur in Friede, Freude und Eierkuchen ausartete, dafür sorgten allein die unterschiedlichen Persönlichkeiten: Zum ersten Mal traf Primadonna Steve Winwood nicht auf Musiker, denen er auf Anhieb überlegen schien, sondern auf drei gleichberechtigte Partner. In Dave Mason fand er gar den adäquaten Gegenpol, der zumindest einen Teil des Starrummels auf seine Schultern zu nehmen imstande war. Die Blauäugigkeit der aufkeimenden Flower-Power-Bewegung, die anfangs die künstlerische Liaison der Individualisten stärkte, kippte bald ins Gegenteil. Allein die Komponistencredits des durch Jazz-, Folk- und Pop-Elemente, lateinamerikanische Rhythmen, Mellotron, Sitar und Flöte sowie durch allerlei Studiotricks aufgepeppten Debütalbums MR. FANTASY 5 , einem Meisterwerk der PsychedelicÄra, sprach Bände: Den kollektiven Eingebungen von Winwood/Capaldi/Wood („Heaven Is In Your Mind“, „Berkshire Poppies“,“Coloured Rain“) standen Masons individualistische, das Kommunenleben ironisierende Songs („House For Everyone“, „Hope I Never Find Me There“, „Utterly Simple“) gegenüber. Noch prägnanter zeigte sich der beginnende Bruch mit den als Bonustracks (B-Seiten, Alternativ-Mixe) beigefügten Songs der US-Ausgabe. Neben der Debütsingle „Paper Sun“, ist hier das von Mason gegen den Willen der Band als Single veröffentlichte „Hole In My Shoe“ zu hören. Zum Zeitpunkt der Einspielung schien alles noch eitel Sonnenschein. Doch der Grabenkrieg sollte mit dem knapp ein Jahr später veröffentlichten, schlicht TRAFFIC 5 betitelten Zweitwerk weiter gehen: Wieder standen vier Mason’sche Alleingänge gegen fünf Winwood/Capaldi-Ergüsse. Doch trotz internen Ärgers markierten die zehn Songs (in der Neuedition um fünf Stücke erweitert, u.a. die dritte Single „Here We Go Round The Mulberry Bush“, das Thema des gleichnamigen britischen Kinofilms) einen wichtigen Wendepunkt: Nicht nur Fans und Medien, auch die Musikerkollegen zeigten sich beeindruckt von der Virtuosität und kompositorischen Kunstfertigkeit der Formation. Untrügliches Indiz dafür sind die Cover-Versionen diverser Traffic-Songs, an denen sich prominente Künstler und Bands versuchten: Brian Auger’sTrinity verjazzte“NoTimeTo Live“, Eric Clapton zupfte virtuos „Pearly Queen“, und Masons fantastischer Evergreen „Feelin‘ Alright“ gereichte so unterschiedlichen Interpreten wie Joe Cocker, Grand Funk Railroad, Rare Earth, Jackson 5 undThree Dog Night zum Erfolg. Trotz künstlerischer Höhenflüge wurde dennoch klar: Die Harmonie war dahin, die Scherben nicht mehr zu kitten. Der dritte Longplayer LAST EXIT, ein zusammengeschusterter Bastard aus süperbem Studiomaterial und belanglosen Live-Aufnahmen, geriet zum kruden Abschiedsgeschenk an die Fans. Um 1969 glaubte keiner mehr an einen Neustart für Traffic. Doch wie spontan zurückgekehrter Enthusiasmus anstecken kann, belegte das ursprünglich als Winwoods Solodebüt unter dem Titel „Mad Shadows“ geplante Reunionwerk JOHN BARLEYCORN (MUST DIE) 6 Sommer 1970: Seltsam familiär und zeitgemäß klingt das in den Londoner Olympic Studios eingespielte Material aus heutiger Sicht – Fans von Ocean Colour Scene oder Paul Weller sollten hier unbedingt reinhören. Höhepunkte: das virtuose Instrumental „Glad“, die Single „Empty Pages“, die funkensprühende Energie von „Freedom Rider“ und der meisterhafte Titelsong, ein über 100 Jahre altes englisches Traditional. Auch die beiden neu hinzugefügten, schludrigen Live-Perfomances aus jener Periode mindern den hochwertigen Gesamteindruck nicht.
Mehr News und Stories