Vielflieger

Viele Airplane-Geniestreiche schafften es aus unerfindlichen Gründen nie auf ein reguläres Album. Neun dieser Outtakes, von denen einige zum festen Live-Repertoire dieses Hippie-Flagschiffes gehörten, wurden 1974 auf EARLY FLIGHT veröffentlicht, einer hochkarätige Kollektion aus den Jahren 1965-70. Danach indes ging der Hippie-Flieger aus San Francisco auf Sinkflug. Die bis dahin stabile Besatzung zerbröselte zusehends, die beteiligten Musiker verfolgten Soloambitionen. Großzügig entschied RCA,den Musikern aus dem Airplane-Umfeld quasi unbegrenzte Aufnahmezeit in Wally Heiders Studiokomplex zur Verfügung zu stellen. Prompt wurde Paul Kantner gleichsam zum Vielflieger: Zunächst erfüllte er sich seinen langgehegten Traum eines SciFi-Konzeptalbums. BLOWS AGAINST THE EMPIRE ,mit Freunden wie David Crosby und Jerry Garcia im Sommer 1971 eingespielt, geriet jedoch zur schwerverdaulichen Melange aus experimentellem Lärm, traditionellen Folkelementen und verschrobenen Spacehymnen. Ein Jahr später veröffentlichte Kantner mit seiner damaligen Lebensgefährtin Grace Slick SUNFIGHTER 4 wesentlich Song-orientierter, letzlich aber von durchwachsener Qualität. Interessant ist an SUNFIGTHER vor allem, daß sich hier langsam der Kern jener Gruppe bildet, die Jahre später als Jefferson Starship in höchste Chartsregionen abheben sollte. Im Mai 1973 gelang Kantner, Slick und dem Ex-Ouicksilver-Mann David Freiberg dann ein Sonntagsschuß, der den damaligen Kritiker des deutschen „Sounds“-Magazins zu der denkwürdigen Bemerkung veranlaßte, daß dies das Beste sei, was aus diesem Winkel der Weht je zu uns gekommen ist. Zwar floppte das Album gewaltig, trotzdem ist BARON VON TOLLBOOTH & THE CHROME NUN 6 nichts weniger als das definitive Westcoast-Statement jener Dekade. Hier stimmt alles – wunderbare Songs, konzentrierte Arrangements, Grace Slick auf der Höhe ihrer vokalen Möglichkeiten. Kantners kosmischen Spinnereien behielten diesmal die nötige Bodenhaftung, und nicht zuletzt brachten neben den Pointer Sisters und David Crosby Gäste wie Jerry Garcia, Mickey Hart, Jorma Kaukonen, Jack Casady und Craig Chaquico instrumentales Funkeln im Übermaß ins Spiel. Hier gilt es eines der süßesten Geheimnisse der Rockgeschichte zu entdecken!