Wire – Chairs Missing
Meist ist es ja umgekehrt: man hört begeistert das Debut-Album einer neuen Gruppe und verzieht beim zweiten schon enttäuscht das Gesicht. Das britische Quartett Wire macht nun eine Ausnahme. Während ihr erstes Album „Pink Plag“ ein durchschnittliches Punk-Allerlei bot, entpuppt sich „Chairs Missing“ als positive Überraschung. Die vier Musiker gehen mit akademischem Hintergrund und englischem Understatement daran, fünfzehn Kurzkompositionen vorzutragen, die wie kleine Anekdoten und Nonsense-Verse auch musikalische Ironie anbieten. Die musikalische Grundstimmung der überwiegend sehr langsamen und verhalten gesungenen Liedchen erinnert mich an die allererste Soft Machine-LP und an Syd Barrett; bei den schnelleren Nummern, die Wire nicht so liegen, taucht manchmal eine vage Erinnerung an die Stranglers auf.
Aber was Wire s Musik wirklich so außergewöhnlich macht, ist die disziplinierte Struktur und Verknappung, mit der sie ihre durchaus melodiösen Kabinettstückchen als kontrolliertes Chaos spielen. Gut zwei Drittel der Songs zählen inzwischen zu meinen Lieblingssongs, wo ich trotz der Kürze immer wieder einen neuen Überraschungsmoment erleben kann. Die Telegram-Texte, allesamt abgedruckt, sind ein weiteres Vergnügen; etwa „I Feel Mysterious“: “ … is it ever appealing to stand on a ceiling, observe the tension grow…“ Zu Wire einen Draht zu finden, scheint mir wirklich nicht schwer zu sein; und wenn man bedenkt, daß Wire auch Telefon und Telegram heißt, dann wißt ihr auch, welche Art von Kommunikation da abläuft. Es sei denn, einer steht auf der Leitung. Ich könnte auch noch ein paar dumme Sprüche von mir geben wie: Keine Feier ohne Wire – oder: jeder Bayer liebt Wire – aber ich schlage vor, ihr hört euch „Chairs Missing“ einfach mal an.
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