World Party :: Goodbye Jumbo (Chrysalis)
Diese Platte dokumentiert Karl Wallingers Liebe zu den Beatles und zu hochgradig ausgefeilten Songs, seinen Hang zum Melodienrausch und zu textlich anspruchsvollen Aussagen. So wirkt GOODBYE JUMBO wie ein altmodisches Songwriteralbum mit Message, wie eine zeitlose Mixtur aus Ray Davies und Bob Dylan mit epischen Textstrukturen („Way Down Now“), die in eingängige, clevere Melodien und Refrains verpackt sind. Viel ließ sich Wallinger für die Arrangements einfallen, die mal nach Folk & Country klingen („When The Rainbow Comes“, „Put The Message In The Box“), mal nach Psycho-Blues mit Curtis Mayfield-Falsett („Ain’t Gonna Come Till I’m Ready“).
In den Texten herrscht Gedankenschwere; Wallinger stellt Endzeit-Reflektionen über das Sterben der Natur und damit zwangsläufig auch des Menschen an. So wirkt schon sein zweites Album inhaltlich reif wie ein Alterswerk, aber musikalisch dennoch gleichzeitig frisch wie eine Morgendusche. Selbst ein vermeintlich betulicher Walzer wie „Sweet Soul Dreams“ gerät mit Wallingers ungekünstelter Stimme und dem archaischen Zusammenspiel von Orgel, Piano, Akkordeon und Gitarre zu einem Kabinettstück britischer Pop-Kunst, das Van Morrison ebenso viel verdankt wie den Fab Four. Als Backgroundsängerin tritt in diesem Stück übrigens Sinead O’Connor auf, deren Manager Steve Fargnoli auch für Wallinger arbeitet. Und als Schlußakkord setzt der Waliser einen dezenten, intimen Rock-Akzent, mit dem es ihm gelingt, neuzeitliches Psychedelic-Feeling aus hypnotischen Vocals, verwirrenden Keyboard-Arrangements und verzerrter Gitarre zu erzeugen.
Erinnert sich noch jemand an Stevie Winwoods Gruppe Traffic? Hier blitzt – herrlich antiquarisch und doch seltsam unnostalgisch – die gleiche Qualität auf: Naivität, durch musikalischen Farbenreichtum auf eine höhere Ebene transponiert. Dieses abwechslungsreiche Album eignet sich mit seinem breiten musikalischen Spektrum eher zum Hinhören als zum Tanzen; randvoll mit Ideen und mit jener souveränen Leichtigkeit, die man bei „Musikern mit Botschaft“ sonst oft vermißt.
GRÜNE PARTEI
Auf GOODBYE JUMBO spielt Karl Wallinger Gitarren, Keyboards und Drums, und er singt. Zu den wechselnden Begleitmusikern der World Party gehören Keyboarder Guy Chambers, Gitarrist Jeff Trott und Schlagzeuger Chris Sharrock. Dieses Trio wird vermutlich auch auf der für Herbst angekündigten großen Tournee dabei sein. Vorab gibt die World Party zwei Konzerte:
am 14. 5. in Hamburg am 16. 5. in München.
„Wir leben in einem ,Goodbye‘-Zeitalter“, meint Waliinger zur Thematik des neuen Albums. „Die Elefanten sterben vielleicht demnächst aus, und vieles andere wird sich ebenfalls auf immer verabschieden. Vieles funktioniert nicht mehr so, wie es eigentlich sollte. Deshalb ist es Zeit für uns aufzuwachen.“ Alles müsse sich ändern, meint der bebrillte Verehrer von John Lennon. „Wir müssen wieder lernen zu lachen und zu weinen, zu leben und zu sterben. Wir können nicht einfach müßig dasitzen und glauben, es wird sich schon richten. Da helfen uns keine Kreditkarten.“
Als er am zweiten Album GOODBYE JUMBO arbeitete, überlegte sich Wallinger nicht vorab eine griffige Marketingstrategie oder ein populäres Umweltschutzkonzept, sondern schrieb „einfach ein paar Songs – nicht mehr und nicht weniger. Das hat sich ganz von selbst ergeben. Denn diese Thematik hat mich schon immer beschäftigt.“
PARTY-SERVICE
Als Mitglied der Waterboys stand Karl Wallinger anfangs noch im Schatten von Mike Scott. Doch das änderte sich schnell. Waliinger wuchs als jüngstes von vier Kindern an der nordwalisischen Küste auf. Nachdem er jahrelang klassischen Klavierunterricht genossen hatte, zog er 1977 nach London, wo er zunächst in einem Musikverlag arbeitete, in Bars am Klavier klimperte und sein Glück in verschiedenen Bands versuchte. Kurzzeitig betreute er sogar als musikalischer Leiter die „Rocky Horror Picture Show“.
Nach einem kurzen Gastspiel als Sänger bei der Gruppe Out lernte Wallinger 1983 Mike Scott und Anthony Thistlethwaite von den Waterboys kennen. „Sie suchten zwar einen Gitarristen, aber ich fragte, ob sie nicht auch mit einem Keyboarder etwas anfangen könnten.“ Auf dem zweiten Album der Waterboys – A PAGAN PLACE (1984) bediente er lediglich im Hintergrund die Keyboards. Auf dem dritten Album THIS IS THE SEA (1985) fungiert er dann schon als Co-Autor, Produzent, Techniker und Arrangeur. Und nebenbei bastelte er im Heimstudio an eigenen Songs: „Das war ein wenig frustrierend, einerseits machte es mir Spaß, mit Mike Scott zu arbeiten. Andererseits wußte ich, daß ich meine eigenen Sachen veröffentlichen wollte. Zuerst dachte ich, ich könnte zweigleisig fahren – bei den Waterboys bleiben und gleichzeitig meine World Party gründen. Aber das funktionierte nicht. Denn World Party ist ein Fulltime-Job.“
Deshalb trennte sich Waliinger von den Waterboys, gründete im Februar 1986 die World Party und veröffentlichte noch im Herbst des gleichen Jahres das erste Album PRIVATE REVOLUTION, das zwar allseits prächtige Kritiken erhielt, sich aber dennoch nur mäßig verkaufte. Danach baute Wallinger sein Studio aus und ließ sich drei Jahre Zeit, um die Songs für GOODBYE JUMBO zu schreiben. Wenn er sein Konzept definiert, vergleicht er sich mit Ikarus:
„Ich versuche so nahe wie möglich an die Sonne heranzufliegen, ohne mir dabei die Flügel zu verbrennen.“
Bis jetzt besteht kein Zweifel: Wallingers Höhenflug ist noch nicht am Gipfelpunkt angelangt. Diese Party geht weiter.
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