Schlau ist Trumpf


Dendemann war schon immer gut in der Strophe - auf VOM VINTAGE VERWEHT klappt es jetzt endlich auch mal im Refrain.

Mit Wortakrobatik hat deutscher Rap mittlerweile so wenig gemein wie Yogurette mit echten Erdbeeren. Oftmals liefern Plattenfirmen ihren Casting-Rappern Textzeilen und ein passendes Image gleich dazu. Anders bei Dendemann: Der Hamburger hat Hip-Hop seit jeher als sportlichen Zeilen-Wettkampf verstanden, auch wenn er auf seinem Reim-Niveau oftmals einsam und alleine dastand. Aber etwas daran ändern? Für Verkaufszahlen platter werden? Sich dümmer machen? Wieso auch? Auf Dendemanns neuem Album VOM VINTAGE VERWEHT sucht man vergeblich nach dümmlichen Provokationen oder Kopfnick-Klischees. Das überlässt der ehemalige Eins-Zwo-Rapper den Kollegen aus Berlin. In einer Szene, in der sich abgedroschener Doppelreim noch als Standard hält, nähert Dendemann seine Zeilen dem Gleichklang an. Dass er maßgeblich an seinen Texten gemessen wird, weiß Dendemann. Und so rappt er „ist das Textniveau im Keller, kommt der letzte Storyteller und dann gibt’s mehr auf die Löffel als beim nächsten Uri Geller“. Oder: „Schuster bleib bei deinen Leisten, dann klappt das – irgendwann kommt er dann, der reißende Absatz“, dichtet der 36-Jährige in „Papierkrieg“.

Inhalte werden bei Dendemann nicht länger Worten untergeordnet, jedes der 13 Stücke erzählt eine Geschichte. „Ich versuche nicht mehr irgendeinen Sinn in zwei, drei gute Reime zu prügeln. Ich schreib jetzt das, was ich gerne sagen würde. Die Reimerei kommt ganz automatisch“, sagt Dendemann, dessen Langhaarmatte, die er dieser Tage zur Schau stellt, an den Seiten seiner verbeulten Schildmütze munter hervor sprießt. Inspirieren ließ sich der Rapper diesmal nicht von 90er-Jahre-Hip-Hop, sondern von den 80ern, von Run DMC, den Beastie Boys und von Public Enemy. Deutsche Einflüsse kommen ihm nur selten unter: „Manchmal beim Schreiben, wenn ich im Sauseschritt düse“.

Seit seinem letzten Studio-Album DIE PFÜTZE DES EISBERGS war Dende als Anheizer für die Beatsteaks und Herbert Grönemeyer auf Tour. Und das hört man: Während bei DIE PFÜTZE DES EISBERGS noch Jansen & Kowalski und die Mainzer Audiotreats die Klangfundamente lieferten, sind bei diesem Album alle Stücke live eingespielt worden. Die Wortspiele hat der Hamburger nicht im Anschluss beigemischt, sondern gleich mitgetextet. Dass keines der Instrumente einzeln eingespielt oder gar sauber arrangiert worden ist, hört man allerdings. Der Sound leidet, aber das ist eine Frage des Geschmacks.

Die erste Singleauskopplung „Stumpf ist Trumpf“ hat einen durchgehend rockigen Sound, ohne vocal cuts, dafür mit hartem Schlagzeugbeat und Refrain. Dendemann zum Mitsingen? Vielleicht hat Dendemann doch mehr Kompromisse gemacht, als er bereit ist zuzugeben. Für eingefleischte Fans klingt er fast schon gewöhnungsbedürftig, aber er darf und soll ruhig weiter behaupten, der „Beste wo gibt“ zu sein. „Extrem empört“ ist Dendemann allerdings bei der Nachfrage, wie man sich als letzter Überlebender der Oberstufen-Rap-Ära finanziell über Wasser halten kann: „Ich habe bewiesen, dass ich auf keinen Gangster-Zug aufspringen muss, um von meiner Musik leben zu können.“