Sex+Valium


Die neue CD der Sängerin von Mazzy Star strotzt vor sanfter Schönheit und lässt Männer zu willenlosen Wesen mutieren.

Ihre neue Platte „Bavarian Fruit Bread“ ist dem nicht unähnlich, was die bildschöne Sängerin in den Neunzigern als weibliche Hälfte von Mazzy Star zusammen mit David Roback veranstaltet hat. Beats werden ignoriert, die Songs sind konsequent vertrödelt und verhandeln unter einem warmen Valium-Mäntelchen Folk und Psychedelia immer wieder neu. Quiet is the new loud gilt hier nicht: Wenn Hope Sandoval ätherisch-zart und eindringlichmonoton singl, regiert immer Ruhe auch mit ihrer neuen Begleitband The Warm Inventions. Hope Sandoval hat ein feines Gespür dafür, wer um sie herum sachte vorbeiwehende Melodien arrangieren kann. Mann der Wahl ist – nachdem Mazzy Star vorübergehend auf Eis gelegt sind – justament Colm O’Ciosoig, ehedem Drummer bei My Bloody Valentine. „Bei Mazzy Star war ich es gewohnt, mit David Roback in seiner Rolle als Gitarrist zusammenzuarbeiten. Colm aber ist und bleibt Schlagzeuger, so konnte ich mich mehr auf mein Gitarrenspiel konzentrieren, und wir sind beide aneinander gewachsen, erklärt Hope. Das ist hübsch formuliert, aber wohl nicht die ganze Wahrheit. Die geht so: Colm O’Ciosoigs Beitrag als Schlagzeuger läuft eher unter „Minuswachstum“, Beats finden im Kontext von Hope Sandoval naturgemäß nicht statt. Vom sehr übersichtlichen Schlagzeugspiel abgesehen hat O’Ciosiog aber einen prima Job gemacht. Er lässt durch die skelettierten Songs von „Bavarian Fruit Bread“ ein gerüttelt Maß an Mystik flirren, amerikanischer Folk und psychedelische Momente haken sich sanft ein – und über allem thront die Stimme von Hope Sandoval. Mal flüstert sie, mal wispert sie – und versprüht dabei eine narkotisierende Erotik, die heterosexuell veranlagte Männer zunächst sämtliche Beschützerinstinkte ausfahren und dann naht- und wehrlos in den Zustand des Dahinschmelzens übergehen lässt.

Aus der Leitung kommt Gekicher, das unentschieden zwischen den Koordinaten „Hanni & Nanni im Landschulheim“ und „Faustdick hinter den Ohren“ pendelt. „Ich bin mir meines Aussehens schon bewusst und weiß auch, dass ich erotisch singen kann – aber das ist für mich nebensächlich. Wichtig ist, dass ich gut singe und schöne Songs schreibe. Ich könnte ohne Musik nicht überleben, wenn ich keine Musik machen könnte, würde bei mir rein gar nichts funktionieren.“ Es ist kurz nach zehn Uhr morgens in San Francisco, und Hope Sandoval hat das erste Interview des Tages überstanden. „Ich höre jetzt bis zum nächsten eine Best Of von den Smiths„, sagt sie und ergänzt: „Die waren so schön melancholisch und hatten doch Hoffnung im Programm.“ Etwas Besseres als ein Interview mit einem Journalisten findet sie überall. Nicht nur, aber auch bei den Smiths.

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