Silver Lake: L.A.’s Zentrum der musikalischen Subkultur


Östlich von Hollywood, am Silver Lake, tummelt sich die derzeit – verzeiht die Plattitüde – ‚hippste‘ Musikszene der USA. Seit gut drei Jahren konnten Los Angelinos verfolgen, wie die durch AIDS zur Einöde verfallene ehemalige Schwulenhochburg Silver Lake zum Zentrum der musikalischen Subkultur mutierte. Zuerst nur von Anwohnern und Insidern beachtet, gilt Silver Lake spätestens seit dem Erfolg seiner Zöglinge Beck und Geraldine Fibbers als ‚The Next Seattle‘. Okay, das haben wir schon mal gehört. Etwa über Chicago und Austin. Silver Lake beteiligt sich jedoch nicht an dem Trubel, der Silver Lake von Industrie und Presse veranstaltet wird. „Laßt Silver Lake in Ruhe“, droht Geraldine Fibbers-Sängerin Carla. „Noch vor kurzem hat sich niemand einen Scheiß um uns gekümmert, und das war gut so. Bald geht’s hier zu wie auf der Promenade von Santa Monica – schrecklich!“

Statt sich selbst zu beweihräuchern, versucht Silver Lake zu verschrecken. Gerne betonen Anwohner, daß nachts die Gangs regieren, Autos aufbrechen und Spaziergänger überfallen. Das hält Touristen fern und – so Extra Fancy-Sänger Grillo – „gibt Stoff für gute Songs“. Silver Lake spuckt regelmäßig feine, neue Musik aus: die Eels, eine der ersten Bands des neugegründeten Geffen/Katzenberg/Spielberg-Labels; Dream Works, Extra Fancy, Toucheandy, geführt vom Londoner Glitter-Sexidol David Willis, Lutefisk, Possum Dixum, Lifter, The Negro Problem – sie alle sind einzigartig und stammen aus Silver Lake.

Zusammengehalten wird die Szene von einem gutfunktionierenden Netz aus Clubs (Spaceland, Garage, Dragstrip 66), Indie-Labels (Epitaph, Nickelbag) und kuriosen Shops (Soap Plant, You’ve Got Bad Taste), die schönsten Schwachsinn verkaufen (REO Speedwagon-Tattoos, Johnny Rotten-Kerzen) und als offene Bühne für lokale Künstler dienen.

John Roecker, Besitzer von ‚You’ve Got Bad Taste‘, erklärt, während hinter ihm eine Oben-Ohne-Lesbenband loslegt: „Das hier ist authentisch. Unsere Tür ist immer offen, wer wil, kann spielen.“ Dabei weiß er, daß der frische Silver Lake-Hype das Ende bedeuten kann: „Es ist ein Rennen gegen die Zeit. Genießt die Szene jetzt – bevor es vorbei ist.“