Smudo Über Das Neue Album Von Max Goldt


Schöne Greatest Leselive Oldies (Motor Words)

Auf dem neuen Album von Max Goldt, was ja eigentlich eine Sammlung aus älteren, sogenannten „Best Of…“-Texten ist, sind fast alle meine Lieblingsvorträge drauf. Z.B. „Mutter, ich nehme die Mittagsmaschine“. Das ist u.a. eine Abhandlung über Verhaltensweisen von Menschen, die gerne hätten, daß andere sie cool finden. Deshalb schenken diese Leute den Flugbegleiterinnen, die vor dem Start die Sicherheitsvorkehrungen erklären, keine sichtbare Aufmerksamkeit, denn sonst würden die anderen Passagiere ja merken, daß man zum ersten Mal fliegt und das wäre ja uncool und deshalb sagen sie auch „Maschine in die Staaten“ statt „Flugzeug nach Amerika.“ Cool und uncool sein hat auch sehr viel mit meinem Beruf als Populärmusiker zu tun. Ich bin froh, daß ich kraft meiner Popularität eingeladen worden bin, eine kleine Rezension über die neue Platte zu schreiben. So kriege ich schonmal eine, bevor sie im Laden steht, und dadurch fühle ich mich schon auch ein bißchen cool. Und außerdem habe ich zu meiner Mutter auch schon mal gesagt, „Mutter, ich nehme die Mittagsmaschine.“ Eine weitere tolle Goldt-Betrachtung, die ich in der Praxis auch schon feststellen durfte, ist die Verhaltensweise von Konzertpublikum: „Das Publikum beklatscht sein eigenes Gedächtnis“, denn es klatscht ja zu Beginn eines Liedes um damit „zu prahlen“, daß es dieses bereits kennt. Neue und künstlerisch wertvollere Lieder werden nicht beklatscht – ja das stimmt. Der hohe Unterhaltungswert von Max Goldt-Texten besteht schlicht und ergreifend darin, daß er so lebensnahe Alltagsumstände beschreibt – und dann auch noch mit einer raffinierten Einfachheit in den Sätzen, die manchmal klingen wie eine Mischung aus Alltagssprache und Bürohochdeutsch. Wer also ein Wortmensch ist und gerne wissen möchte, was Heidi Kabel mit „SB Margarine“ zu tun hat, was Mitterand im Rahmen eines Schülerzeitungsinterviews über „Merci“-Schokolade und „Danke“-Toilettenpapier zu sagen hat oder warum Herr Rolf auf der BBC-Sprachplatte „Komm mit, wir sprechen deutsch“ ganz frisch ist oder wer schon immer mal wissen wollte, was in einem Mitteilungsblatt der Grenzorgane der NVA der DDR so geschrieben steht, der muß – ich wiederhole – der muß diese Platte haben. Außer man ist bereits ein dermaßener Goldt-Fan – so wie ich und hat diese Vorträge schon alle auf den alten Original-CDs, denen sie für die Zusammenstellung der hier Besprochenen entliehen worden sind. Zwar prahlt die Presseinfo mit „bisher unveröffentlichten“

Aufnahmen; das können aber nur die schrecklichen Stücke sein, in denen Max Goldt so klingt, als würde er Helge Schneider nachahmen, als jener auf seinen alten Hörspielen den beinamputierten, kettenrauchenden, arbeitslosen „Erwin“ (oder war es Klaus?) spricht – entweder hatte Goldt die Idee dieser Stimmenverstellung unabhängig von Schneider, oder der eine hat sie von dem anderen geklaut. Da ich aus einem nicht erklärbaren Grund glaube, daß Goldt sie Schneider abgeguckt hat und ich Goldt aber nachwievor cool finden möchte, habe ich diese Stücke auf der CD beim ersten Ton dieser entstellten Stimme sofort übersprungen. Außerdem ist diese CD scheiße gekoppelt, d.h. die Zwischenräume zwischen den einzelnen Titeln sind nicht einfach in der Art, wie wir es von den meisten Sprachplatten mit Live-Aufnahmen kennen, also mit auf- und abblendendem Applaus zum Beispiel, sondern derart gestaltet, daß man meinen möchte, daß der Herr im Studio, der die diversen Wortbeiträge von Max Goldt für die CD-Pressung zusammenstellte, entweder gelangweilt war oder seinen neuen digitalen Schnittcomputer ausprobiert hat oder mal was ganz Tolles machen wollte. Da wird am Ende eines Vortrages nicht einmal mehr der kleine Ausatmer nach dem „Danke“ draufgelassen – das Stück wirkt wie abgeschnitten und nicht ganz ausgesprochen. Oder ein kleiner Teil des Schlußapplauses wird ein paarmal wiederholt, so daß es wie ein Kratzer auf der CD klingt. Oder die Pause, die Goldt in der Mitte seiner Live-Lesungen zu machen pflegt, wird durch ein nicht endenwollendes Gemurmel für die CD erfahrbar gemacht. Zwar wird auf der CD selbst durch den Aufdruck ‚komische Appläuse‘ davor gewarnt, was man natürlich nicht lesen kann, wenn sie sich im CD-Player befindet – aber ich finde das nicht komisch sondern schrecklich – abgesehen davon ist die CD allerdings echt cool.