Snoop Doggy Dog, London, WembleyArena


Für die Inlay-Schnappschüsse seines neuen Albums ‚Tha Doggfather‘ posiert Snoop Doggy Dogg protzend im Designer-Anzug und neben einem Rolls Royce. Der stilvolle Umgang mit Edelmarken ist für einen Rapper mit Gangsta-Background nicht gerade überraschend. In der Wembley Arena erscheint derselbe Snoop dann aber im geschmacklosen, überweiten, blau-beigefarbenen Overall. Das ist überraschend. Aber notwendig. Unter dem ungewöhnlichen Outfit steckt nämlich eine schußsichere Ganzkörperweste – als Vorsichtsmaßnahme, weil vor dem Konzert Morddrohungen gegen Snoop Doggy Dogg eingegangen sind. Obwohl der Veranstalter daraufhin mit verstärkten Kontrollen am Einlaß reagierte, war der Rapper gut beraten, eigene Vorkehrungen zu treffen. Seit dem Mord an seinem Freund Tupac Shakur in Las Vegas ist die Atmosphäre in der Black Community aufgeladen. Snoop selbst hat erklärt, er werde das nächste potentielle Opfer auf der Todesliste sein. Da ist der erzwungene Imagewechsel vom Straßenköter zum Hausmann nun wirklich das geringste Problem.

Entgegen den Befürchtungen im Vorfeld ging es dann während des Gigs friedlich und gesittet zu. Das war beim ersten Konzert von Snoops „Soul Super Jam“-Tour in Manchester noch anders. Da demolierten Besucher das Saalinventar wegen der schlechten Akustik. Auch im Norden Londons sind die markanten G-Funk-Klangfetzen vom „Doggystyle‘-Debüt nur schwer herauszuhören. Klar zu erkennen ist aber, daß ‚Murder Was The Case‘ den Anfang macht. Und sofort sieht man ihn wieder vor sich, den frauenverachtenden, gewaltverherrlichenden Homeboy, der zwei Jahre lang wegen des Verdachts der Beihilfe zum Mord auf der Anklagebank gesessen hat. Doch Snoop 1996 ist nicht mehr mit jenem Megarüpel zu vergleichen, der aus unkontrollierter Ghetto-Gaunerei einen Kult machte. Auf der Bühne hält sich der schlaksige Kerl zurück: Keine martialischen Gesten, keine übermäßig aufreizenden Ansagen, keine Konfrontationen. Selbst die Gangsta-Rap-Pflichtvokabel „Motherfucker“ gebraucht Snoop nur in Maßen. Statt dessen tapst er als sanftmütiger Rapper über die Bühne und konzentriert sich auf seine Songs.

Die Crew um Snoop, DJ Pooh und Nate Dogg hat bei diesem Gig mit ungünstigen Bedingungen zu kämpfen. Vor ihnen traten Blackstreet auf, die das Herz der zahlreich anwesenden Damen betörten und mit ihrem Hit ‚No Diggity‘ Begeisterungsstürme entfachten. Danach muß sich das Publikum umstellen. Die Musik ist anders, es gibt keine Begleitband, sondern nur einen unattraktiven DJ zu sehen. Ferner bietet die sterile Atmosphäre in dem modernen Bauklotz nicht gerade die besten Rahmenbedingungen für eine intim angelegte Hip-Hop-Party. Weil er bei seiner Show zudem oft auf die altbackenen Live-Rituale der Rap-Community zurückgreift, hat Snoop Mühe, die Euphorie anzuheizen. Wie bei HipHop-Konzerten üblich, werden Teile des Publikums aufgefordert, gegeneinander anzubrüllen. Auch die sattsam bekannte „Throw your hands in the air and wave ‚em around like you just don’t care“-Leier darf da natürlich nicht fehlen. Individueller und in der aktuellen Situation weitaus passender wirkt Snoops Aufforderung an die Seinen, dem verstorbenen Tupac Shakur lautstark Ehre zu erweisen. „2Pac – we love you, 2Pac – we miss you“ schallt es denn auch tausendfach durch die Wembley Arena. Als dann auch noch Snoops Rap-Kollege Warren G unangekündigt auf die Bühne kommt, brandet ohrenbetäubender Jubel auf. Doch der Überraschungsgast greift nicht ins Geschehen ein, sondern dreht nur eine Schaurunde. Die Enttäuschung über diesen Kurzauftritt ist spürbar, was Snoop Doggy Dogg allerdings motiviert, etwas mehr Dampf zu machen. Mit seiner neuen Single ‚Snoop’s Upside Ya Head‘ zum Beispiel. Die verrapte Version des ewig aktuellen Feten-Funk-Fegers der Gap Band aus den frühen achtziger Jahren holt das Publikum von den Sitzen. Gegen Ende des Konzerts hört man in Wembley und Umgebung nur eine Antwort auf die rhetorische Frage im Song ‚What’s My Name?‘: Snoop Doggy Dogg natürlich. Auch nach Kontroversen, Prozessen und längerer Abstinenz haben seine Fans ihren „Doggfather“ und seinen coolen G-Funk-Style nicht vergessen.