So will ein Londoner Konzertclub Vorbands zu mehr Publikum verhelfen


Der legendäre 100 Club schafft Stagetimes ab und erhofft sich so früheres Erscheinen der Konzertbesucher.

Der Londoner Kult-Konzertclub 100 Club wird ab sofort keine Stagetimes mehr veröffentlichen. Das Venue, das sich auf Londons bekannter Einkaufsstraße Oxford Street findet, erklärte in einem Tweet, mit diesem Schritt wolle es alle Acts, die dort auftreten, unterstützen und Besucher dazu verleiten, sich auch Vorbands anzuschauen. Dies sei ein „großartiger Weg, neue Musik zu entdecken“.

https://twitter.com/100clubLondon/status/1094953771606659076

Die Entscheidung rief zwiespältige Reaktionen nach sich: Während viele Twitter-User den 100 Club für den Verzicht auf die Bekanntgabe von exakten Stagetimes loben, schreiben andere, dass eine große Zahl potenzieller Konzertbesucher auf exakte Startzeiten angewiesen seien. Ein Twitter-User verwies unter anderem auf körperlich eingeschränkte und behinderte Clubgänger hin, die ihre Besuche und Anreise genau planen müssen oder aus verschiedenen Gründen nicht länger als nötig an einem Ort verweilen können.

https://twitter.com/JosephStash/status/1094995994142535680

Weitere Kritik an der neuen Politik des 100 Club kam von Eltern, die ihre Kinder für einen Konzertbesuch nicht länger als notwendig in der Obhut anderer lassen möchten, und Berufstätigen, die ihren Feierabend nun schlechter für den abendlichen Gang in den Club planbar sehen.

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Der 100 Club reagierte auf die massive Kritik und ließ wissen, man werde sich mit ihr auseinandersetzen, um einen Konsens daraus gewinnen zu können. Die Clubbetreiber betonten jedoch auch, dass ihnen weiter daran gelegen ist, Support-Acts mit einer solchen Entscheidung zu unterstützen.

https://twitter.com/100clubLondon/status/1095256033717567488

Ob sich die Stagetime-Politik des 100 Clubs durchsetzt, ist mehr als fraglich, da viele Bands – darunter auch Support-Acts – bereits jetzt die Stagetimes für ihre Auftritte über ihre Social-Media-Kanäle mit ihren Fans teilen. Dass die Entscheidung eines einzelnen Clubs an der Praxis hunderter Bands etwas ändern wird, ist nahezu ausgeschlossen. Spannend wäre es dennoch zu sehen, wie das Modell des 100 Clubs in der deutschen Liveclub-Szene aufgenommen werden würde. Vermutlich würde es ähnliche Reaktionen wie in London hervorrufen: Konzertbesucher, die sowieso immer den Vorbands eine Chance geben, würden es begrüßen, Ticketinhaber, die aus der Arbeit direkt in die Straßenbahn springen, um wenigstens den Beginn ihrer Lieblingsband nicht zu verpassen, würden protestieren – und die Gästeliste-Boheme würde weiterhin zu spät kommen und sich auch noch über die Garderobensituation aufregen. Bleibt also abzuwarten, wie der versprochene Konsens des 100 Clubs aussehen wird.

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