Sum 41


München, Elserhalle

Wunder der Wissenschaft: eine Funpunk-Band mit eingebautem Iron-Maiden-Emulator.

Matthias ist 15 und das hier heute sein erstes „richtiges“ Konzert. Wer weiß, ob er es in seiner persönlichen Rock-History einst überhaupt gelten lassen wird, hat er doch vergleichsweise angejahrte Begleiter- Schwester, Schwager, den Rezensenten – im Schlepptau. Die sortieren sich auch erstmal im hinteren Teil der mit Jungvolk gefüllten Halle ein, wo Eltern herumstehen und Zigaretten rauchen. Sogleich knallt’s: Vier 20-Jährige rennen auf die Bühne, und alles explodiert in ein Gewirr aus springenden Kids. Sum 41 trümmern mit unbestechlicher, in 300 Gigs pro Jahr geschulter Eingespieltheit los, im Zentrum: austauschbare, aber ausreichend eingängige Pop-Punk-Reißer, zum Auftakt gleich mal vier Stück ohne Pause. Und der knautschgesichtige Sänger Deryck Whibley, ein bis zum Anschlag aufgedrehter Wahnsinnsknabe und geborener Entertainer, der das Haus von Sekunde eins an under his spell hat. Einmal gibt es einen Zwischenteil, in dem die Band über einem Riff lungert, während Deryck blödelt. Als er dann ohne Vorwarnung die Arme zum Klatschen hochreißt, tut es ihm innerhalb von 0,2 Sekunden die ganze Halle gleich, als seien die Fans über Funksignal mit diesem Energieviech verbunden. Viel Originäres haben Sum 41 nicht zu bieten, aber sie verwursten Elemente, Zitate, Codes und In-Jokes aus 25 Jahren schnellharter Musik (Punk, Hardcore, Nu- oder Heavy Metal? her! QOTSA, Strokes, Metallica und Nirvana werden zitiert, Zugabe ist die haarsträubende Iron-Maiden-Hommage „Painful Pleasure“) so geschickt zu einem spaßigen Ballergebräu, dass man entwaffnet dasteht. Beziehungsweise – wie 97 Prozent der Anwesenden kirre durch die Gegend fliegt. Matthias hat abgesahnt: Dickes Konzert, schwitzig gepogt, Poster und sogar ein Autogramm von Deryck ergattert, der sich nach der Show am Bühnenrand den Fans stellt und Hingehaltenes unterschreibt (ja, auch jemandes blanken Arsch, auf dass sich die Schrift erfülle, wo es heißt: Und dann signierte der Punkrocker noch einen blanken Arsch). Nunmehr sollte man zufrieden nach Hause gehen dürfen. „Da muss ich nächstes Mal mit meinen Freunden kommen“, grinst Matthias. Ja, gute Idee. Die beiden älteren Herren, die ihn vorhin solidarisch in die Moshpit begleitet haben, um sich nach ein paar Minuten in der Waschmaschine des adoleszenten Irrsinns gen Mischpult zu verziehen, geben in derTat nicht mehr so viel her. Aber sie fühlen sich ein bisschen jünger als noch vor zwei Stunden. Das ist ein Kompliment, das Sum 41 piepegalsein kann und ihr Publikum inklusive Matthias noch nicht verstehen muss. Das aber Gewicht hat.

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