Sweet Dreams werden wahr: Die Eurythmics kehren mit neuer CD und Tournee zurück – und das auch noch für den guten Zweck.


Träge hängt die Sonne über dem Horizont, die Fans liegen flach im Gras, und drüben auf der Bühne müht sich irgendein Superstar unbeachtet mit abgestandenen Evergreens ab. Auf dem „Prince’s Trust“-Fesüval hat zunächst eine lange Reihe von Teenie-Stars je drei, vier Songs kredenzt und damit die 90.000 anwesenden Teenies arg beansprucht. Deren Eltern, die restlichen 10.000 Besucher also, sind nach neun Stunden adoleszenter Hysterie ebenfalls völlig geschafft. Kaum jemand nimmt daher Notiz, als der D) auf offener Bühne ekstatisch und „zum ersten Mal seit sieben Jahren“ auf der Bühne „Annie Lennox! Dave Stewart! Together … The EURYTHMICS!“ willkommen heißt. Doch als die markanten Akkorde erklingen, springen 100.000 hellwache Festivalbesucher auf die Beine und singen drei Minuten lang aus voller Kehle mit: „Sweet Dreams (Are Made Of This)“. And who are we to disagree? Annie Lennox‘ Stimme hat nichts von ihrer gymnastischen Elastizität eingebüßt, und Dave Stewart haut in die Saiten, als wäre er ein Punk. Der nächste Song ist neu, besteht aus zwei Akkorden und bereitet dem kleinen Wunder ein jähes Ende: Bei „I Want It All“ klingt Annie plötzlich wie Johnny Rotten. Als dritten und letzten Song servieren die Eurythmics das Titelstück der neuen LP: „Peace“- und werden dafür mit leeren Plastikflaschen beworfen.

Immerhin zehn Jahre sind seil dem letzten Studioalbum verstrichen. Für ihre Soloalben hat Frau Lennox seither mehrere Brit-Awards bekommen – und mit ihrem androgynen Image, das in den 80em noch eine (bi)sexuelle Provokation war, segelt sie Ende der 90er im Mainstream. Dave Stewart konnte sich, neben einer mäßig erfolgreichen Solokarriere, vor aJlem als Produzent von Bob Dylan und Mick Jagger profilieren. Am lag nach dem Auftritt im Hyde Park bitten die Eurythmics dann zu Ständchen und Pressekonferenz. Dies allerdings nicht in irgendeinem blitzblanken Londoner Hotelzimmer, sondern auf dem Greenpeace-Boot „Rainbow Warrior“, das in Sichtweite der Tower Bridge vor Anker liegt. „Die Funken sprühten so heftig“, erinnert Stewart sich an die erste gemeinsame Session mit Annie Lennox, „daß wir bereits am ersten Tag drei Lieder schrieben, noch bevor der Toningenieur alle Mikrophone eingerichtet hatte.“

Ein neues Album also, eine Tournee und eine Website werden vorgestellt. Die Eurythmics gehen „im Auftrag“ von Amnesty International und Greenpeace auf Tour, für die auf der kommenden Tournee „eine Million“ neuer Mitglieder geworben werden sollen. Dabei zeigen sich Annie und Dave finanziell recht großzügig, denn alle Einnahmen aus dem Verkauf von Tickets, T-Shirts und anderen Souvenirs gehen an die beiden Organisationen. Ob das nicht ein besonders cleverer Schritt ist, zynischen Reaktionen auf die Reunion einer weiteren Oldie-Combo den Wind aus den Segeln zu nehmen? „Haltet uns doch nicht für intelligenter, als wir sind“, antwortet Dave grinsend: „Wir waren doch nie weg, jedenfalls nicht aus den Radioprogrammen. Außerdem ist die Beziehung zwischen Annie und mir ganz anders als in den meisten Bands. Wir beide kennen uns schon so lange, daß der kreative Prozeß für uns zu einer ganz persönlichen und emotionalen Angelegenheit geworden ist. Ein Comeback interessiert uns nicht. Für uns ist das schlicht die Fortsetzung einer wunderbaren musikalischen Erfahrung. Würden wir auf Kritiker hören, hätten wir schon nach dem ersten Album aufgeben müssen. Damals schrieb die Kolumnistin Julie Burchili, Annie und ich hätten bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kommen sollen.“