Talentschmiede


Was als Testballon begann, hat sich zur ersten Adresse ambitionierter Avantgarde gemausert: Marlboro Music.

Vielleicht muß man sich Musik wie einen breiten Strom vorstellen. Träge wälzt sich der graue Mainstream dahin, bildet bisweilen Seitenarme, und wo er irgendwann über die Ufer tritt, da hinterläßt er dann schillernde Pfützen. Selten genug aber werden seine Zuflüsse schiffbar, selten gräbt er sich ein neues Bett in die Landschaft. Und vielleicht ist es der Job einer guten Plattenfirma, diese Strömungen zu erkennen. Rechtzeitig Brücken zu bauen und Schleusen, ohne das Biotop anzutasten.

Matthias Kürten, Label Manager von Marlboro Music, drückt sich da gerne ein wenig sachlicher aus: „Wir begreifen uns als Scouts, die nach Klängen fahnden, die die Menschen morgen hören wollen – und veröffentlichen sie schon heute.“ In der Tat gibt es wenige Plattenfirmen, die so beharrlich auf ihren Anspruch pochen, an jeder erdenklichen Front ganz vorne mitzumischen – sei es nun Rock, HipHop oder Techno.

Und in der Tat gehören Künstler, die bei Marlboro Music unter Vertrag sind, zur unbestrittenen Avantgarde ihres Genres. Mit Core, den Mustard Seeds oder Sorry About Your Daughter hat das Münchner Label Rockeram Start, die ihren Weg erfolgreich weitab vom Mainstream gehen. Mit ihren ambitionierten Kompilationen aus der Reihe „America Now“ hat Marlboro Music eine Plattform für amerikanische Underground-Acts geschaffen, in deren Genuß ansonsten nur eingefleischte Indie-Kenner gekommen wären. Daß sich dieses Label auch auf dem weiten Feld elektronischer Musik etablieren konnte, hat auch seinen Grund in der Kooperation mit dem britischen Kultkünstler und Produzenten James Lavelle. „Mit James verstehen wir uns prächtig“, kommentiert Kürten, „wenn’s auf der persönlichen Ebene nicht liefe, dann könnten wir auch geschäftlich nicht miteinander umgehen.“ Lavelles legendäres Label Mo’Wax hat Beatmaster wie DJ Shadow oder DJ Krush im Programm, Marlboro Music holte die Groove-Veteranen nach Deutschland. Ungewöhnlich genug für eine Firma, die sich vor allem die Entdeckung brandneuer Hoffnungsträger auf die Fahnen geschrieben hat.

„Wieso ungewöhnlich?“ kontert Stefan Petz von Terzi, seines Zeichens Talentscout und Ohr für die neuesten Trends am Markt: „Wir nehmen Talente unter Vertrag, die etwas Ungewöhnliches auf die Beine stellen und Musik machen, die in die Zukunft weist.“ Der mögliche Vorwurf, das quirlige Label sei eine musikalisch verbrämte Werbeagentur des Tabakkonzerns, wird vom Enthusiasmus der Macher gleich im Keim erstickt. Zwar gehört Marlboro Music zu „International Design & Entertainment“, einer Gesellschaft für Gestaltung und Musikveranstaitungen und Tochter des Konzerns Philip Morris. Aber trotz des anfänglichen Mangels an Credibility ist es Kürten und den Seinen gelungen, binnen kürzester Zeit eine motivierte Plattenfirma mit Profil auf die Beine zu stellen: „Wir wollen mehr sein als nur Durchlauferhitzer für zukünftige Stars“, stellt Petz von Terzi klar.

Kein Wunder, daß Marlboro Music im Ruf steht, seine Künstler auch wirklich zu unterstützen und ihnen die größtmögliche Rückendeckung zu geben. Matthias Kürten weiß Unerfreuliches über die Lehrjahre des Labels zu berichten: „Als wir vor über zehn Jahren loslegten, da mußten wir den Leuten noch lang und breit erklären, wofür wir stehen und was wir wollen. Heute ist das eher umgekehrt, wir werden respektiert – auch von den Künstlern.“ Zwar kommen, wie Stefan Petz von Terzi klagt, „nach wie vor Anfragen von Typen, die wollen, daß wir sie Sponsoren. Mittlerweile sollte sich aber herumgesprochenhaben, daß wir für moderne, zeitgemäße Musik stehen. Und daß wir unter Engagement keinesfalls verstehen, unser Logo auf irgendeine Dance-Kompilation zu pappen. Wir nehmen unsere Sache und die der Künstler einfach ernst.“

Weshalb Marlboro Music auch weiterhin wichtige Künstler vertreten wird. Und zwar immer gemäß dem Motto, daß die interessanteste Musik abseits des Mainstream gemacht wird.