Popismus-Kolumne

Talk About Mutation: Warum Josef Winkler in der Pandemie an eine vergessene Crossover-Band denken muss


Stoppuhren raus: Wie viele Minuten deutscher Zeitbrauchen Sie, um diese Kolumne zu lesen?

Und? Wie stehen die Aktien? Was macht die Kunst? Alles senkrecht? Ja, sorry, das sind saublöde Fragen, sogar zu Normalzeiten, ich wollt’ nur ein bisschen gut Wetter machen mit nostalgischem 90er-Jahre-Sprech. Klar, die Pandemie nagt schwer an der Substanz. Ich hab’ letztens eine Selbsteinweisung in die Notbetreuung an unserer Grundschule hier erwogen, aber die meinten, sie haben die Kapazitäten nicht. Auch ätzend: Vollkommen offtopic, aber dennoch, bringen die Nachrichten eine Erinnerung an die lang aufgelöste deutsche Crossover-Band Think About Mutation zurück, die sich gottlob nirgendwo festkrallen kann, weil ich weder weiß, wie die aussahen noch einen Song memoriert habe, der als zombifizierter Ohrwurm dem kühlen Grab meines Oberstübchens entsteigen könnte. Aber wie schon einst, dreht sich jetzt aufs Neue die Frage in meinem Kopf, was ZUM FOGEL dieser bescheuerte Bandname bedeuten soll, und das kann ich jetzt schon rein vomFeeling her nicht brauchen im Frühjahr 2021.

Youtube Placeholder
An dieser Stelle findest du Inhalte aus Youtube
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

Bewerbung bei Köln 50667 – Paulas Popwoche im Überblick

Da freu’ ich mich lieber über die inhaltlich wie formal bisher schönste Schlagzeile des Jahres in den Radionachrichten am 20. Januar: „Joe Biden leistet in einer Stunde deutscher Zeit seinen Amtseid.“ Wie lang so eine Stunde deutscher Zeit wohl dauert? Man möchte meinen: Deutsche Stunden, die sind Wertarbeit, die brauchen nicht so lang wie handelsübliche Billo-Stunden. Deutsche Zeit ist einfach gehaltvoller und daher effektiver. Nicht zuletzt darum ist es ja so ein Aufreger, dass Deutschland da jetzt so hinterherhinkt bei der Impferei. „Sogar Serbien impft schneller!“ – kann das angehen? Aber wir sind wohl schlicht verwöhnt in unserer Konsumgesellschaft mit der Verfügbarkeit von allem zu jeder Zeit, „geht nicht gibt’s nicht“. Ich meine: Wenn ich in meinem Textprogramm hier bei der Schriftart statt „Helvetica“ „Metallica“ eingebe, dann antwortet das Gerät nicht: „Vertippt, Depp!“, sondern: „Diese Schrift existiert auf Ihrem System nicht. Möchten Sie sie trotzdem verwenden?“ Und was sagt da der deutsche Gutsherrenmensch? „Worauf du einen lassen kannst, Blechtrottel –und ein bisschen plötzlich!“

NDW, Trap, Improv-Comedy: Zombie-Genres drehen auf – Volkmanns Popwoche im Überblick

Wie soll jemand, der sogar von seinen Maschinen derart verzogen wird, Maß, Demut und Verzicht lernen? Mir graut schon vor dem Streamingservice der Zukunft: „Diesen Song gibt es nicht. Möchten Sie ihn trotzdem hören?“ Ja, bitte! Und dann klatscht dir die KI mit dem Logarithmus schnell was zusammen, das sich aber auch nicht beschissener anhört als das Zeugs auf Bayern 3. Apropos: Letztens hab’ ich mal wieder meine Genialität verflucht –  fällt mir doch out of the blue der brillante Künstler/innenname Olga Rhythmus ein. Einfach so! Gut, ne? Und ich so,*Stöhn*, da muss ich jetzt was draus machen und wohl oder übel noch eine Karriere als Beatmaker anpacken, sonst wär’s Verschwendung! Aber dann stellte ich googelnd fest: Olga Rhythmus gibt’s schon! Uff. Wieder ein Kelch an mir vorübergegangen.

Zum „World Sleep Day”: Fünf Streaming-Tipps für gute Träume

Josef Winklers „Hirnflimmern“-Kolumne erscheint monatlich im gedruckten Musikexpress, diese hier stammt aus dem Heft 04/2021.