Interview

The Horrors im Interview: „Kraftwerk sind die beste Band aller Zeiten“


Wir trafen The-Horrors-Sänger Faris Badwan zum Interview und sprachen mit ihm über die Entwicklung der Band, die Arbeit am neuen Album und seine Liebe zu Palais Schaumburg.

Die Entwicklung der Horrors ist einzigartig. Vom Goth-Punk Eures Debüts STRANGE HOUSE habt Ihr Euch über das von Krautrock und Shoegaze beeinflusste Meisterwerk PRIMARY COLOURS zu einer facettenreichen Wave-Pop-Band entwickelt. Wie wichtig war es Euch, diese verschiedenen Sounds auszuprobieren?

Wir haben gar nicht versucht, verschiedene Strömungen zu durchqueren. Wir haben uns nie zusammen hingesetzt und darüber diskutiert, welche Richtung wir einschlagen sollten. Wir schmieden keine Karrierepläne, ehrlich gesagt treffen wir nie auch nur irgendeine bewusste Entscheidung. Unsere größte Stärke ist unsere Spontanität und Zufälle auf uns zukommen zu lassen. Obendrein ist es etwas anderes, ob du ein Album mit 18 oder mit 21 aufnimmst. Du entwickelst dich auch als Musiker weiter. Als wir anfingen, konnte Joe nicht richtig Schlagzeug spielen, ich wusste nicht, wie man singt – weil ich es zuvor noch nie gemacht hatte –, aber manchmal ist das genau der richtige Weg. Rhys beispielsweise begann als Keyboarder, brachte sich später Bass spielen bei und wurde zu unserem Bassisten. Das ist doch das Coole daran, in einer Band zu sein. Du nutzt das, was du vorfindest. Und wenn das eine Gitarre mit nur zwei Saiten ist, lernst du eben damit zu spielen und deine Band daraus zu formen.

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Klingt, als habe der Punk-Ethos in Euch überlebt.

Ganz sicher sogar. Selbst heute würde ich uns noch als Punk-Band bezeichnen. Wir wurden mehr von Punk inspiriert als von allem anderen.

Ich finde, mit Eurem dritten Album SKYING habt Ihr Euch selbst als Band gefunden. Die Nachfolgeralben, LUMINOUS und V, drehen nur noch an kleinen Stellschrauben. 

The Horrors :: Luminous
Bei LUMINOUS würde ich dir da zustimmen, aber LUMINOUS war das einzige Album, bei dem wir die Herangehensweise nicht geändert haben. Deswegen stellen SKYING und LUMINOUS für mich ein Pärchen dar. Sie sind beide in unserem Studio entstanden, von uns ohne externe Einflüsse geschrieben, aufgenommen und produziert worden. In V wiederum stecken all die Spuren, die unsere bisherigen Alben in uns hinterlassen haben. Ich finde vieles der Aggressivität unseres Debütalbums wieder, wenn ich V höre.

Unsere Auftritte sollen Angriffe auf die Sinnesorgane sein – Faris Badwan

Vor zwei Jahren hat mir Sonic Youths Thurston Moore erzählt, Eure Lichtshow habe ihn überfordert, als er Euch das erste Mal live gesehen hat. 

Das Ziel unser Lichtinstallationen war immer, Leute krank zu machen, also freue ich mich sehr darüber zu hören, dass er überfordert war.

Siehst Du nicht die Gefahr, dass Eure Lichtinstallationen von der Musik ablenken könnten?

Unsere Auftritte sollen Angriffe auf die Sinnesorgane sein. Es geht nicht darum, die Strobos die ganze Zeit flackern zu lassen, es geht darum, sie mit der Musik korrespondieren zu lassen.

Heute Abend teilt Ihr Euch die Bühne mit Tangerine Dream. Wie groß war ihr Einfluss, aber auch der anderer deutscher Bands wie Kraftwerk und Can, auf Eure Entwicklung?

Kraftwerk ist unseren Augen die beste Band aller Zeiten – insbesondere live. Sie haben eine enorme Entwicklung hinter sich. Man darf meines Erachtens nach Neu! nicht vergessen. Was ich an Neu! aufregend finde, ist ihr Spiel mit der Dynamik. Sie arbeiten mit relativ wenigen Instrumenten, erschaffen aber daraus etwas sehr Großes. Wir mögen Bands, die Atmosphären erschaffen können. Can liebe ich ebenfalls sehr, Jaki Liebezeit ist für mich der größte Drummer aller Zeiten. Als ebenso einflussreich betrachte ich übrigens Palais Schaumburg. Wir haben sie vergangene Nacht noch gehört, wir alle lieben ihr erstes Album. Es fällt uns zwar sehr schwer, die Songtitel korrekt auszusprechen, aber ich kann sie alle mitsingen.

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Kommen wir auf Kraftwerk zu sprechen. Verändern sie Deiner Meinung nach durch ihre 3D-Shows die Art, wie wir Konzerte wahrnehmen?

Es wird heutzutage sicherlich vordergründig als Event betrachtet ein Kraftwerk-Auftritt zu besuchen. Aber dennoch spielen sie mit ihren Live-Shows in einer ganz eigenen Liga. Ich habe sie bereits vier, fünf Mal gesehen, und obwohl auf der Bühne keine Kids mit Gitarren in der Hand stehen, genieße ich die Konzerte immer sehr. Sie sind einfach großartig.

Ich verachte Bands, die auf Backing Tracks setzen – Faris Badwan

Also kommt es Deiner Meinung nach in der Zukunft nicht mehr darauf an, dass auf der Bühne Menschen haptische Instrumente spielen, sondern nur noch um das Gesamtkonzept aus Sound und Licht?

Nein, so sehe ich das nicht. Ich verachte Bands, die auf Backing Tracks setzen. Sie entreißen dem Live-Auftritt seine Variationsmöglichkeiten. Wir waren mit Gruppen auf Tour, bei denen jeder Gig gleich klang. Alles klang perfekt, aber was soll das? Ich will zumindest etwas Gefahr und Unbehagen spüren, wenn ich jemanden live sehe. Kraftwerk ist ein anderer Fall, denn darum geht es bei ihnen nicht. Bei ihnen soll man die Musik auf die bestmögliche Art genießen.

Bei welcher Band hattest Du denn das letzte Mal das Gefühl des Unerwartbaren, als Du sie live sahst?

Da ist diese Band, die ich produziert habe, mit dem Namen Happy Meal Ltd. Sie sind das perfekte Beispiel für das, was ich bei einer Band suche. Sie sind vollkommen unberechenbar und haben dennoch ein wahnsinnig ausgeprägtes Gespür für Details.

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Zehn Jahre sind vergangen, seitdem Ihr Euer Debütalbum STRANGE HOUSE veröffentlicht habt. Habt Ihr die Ziele erreicht, die Ihr hattet, als Ihr mit der Band begonnen habt?

Ich hatte keine Ziele, ich habe auch jetzt keine Ziele, ich glaube nicht an das Konstrukt „Ziel“. Ich will lieber nicht wissen, wohin sich die Dinge entwickeln. Ich will einfach weiter Sachenmachen, die ich liebe, ohne zu wissen, wohin sie mich führen.