The Singles


Live im Konzert und live auf Platte kann ja durchaus ein großer Unterschied sein, manchmal sogar, wenn es sich ums selbe Konzert handelt. Die Liveauftritte von Jason Swinscoes The Cinematic Orchestra waren immer schon erhabene Hochzeitsfeiern von (free-)jazziger Improvisation und elektronischer Musik. Die EP „Ma Heur Live At The Barbican“ (Ninja Tune/Rough Trade) kommt nun mit vier live aufgenommenen Tracks des diesjährigen Albums Ma Fleur, das eine kleine Richtungsänderung markierte. Hin zu einer eher ätherischen Soundscape-Musik mit manchmal übertrieben souligem Gesang, was das Wort „Cinematic“ im Bandnamen nach achtjährigem Schaffen dann doch noch rechtfertigte. Live aufplätte wird dieses Hin-und-her-Rudern zwischen Richtungslosigkeit und Schwulst auch nicht unbedingt besser.

Die kürzeren Tonträger von Dúné zuletzt die mittellange EP „Bloodlines“, haben immer sehr viel versprochen. So auch die neue Single „Dry Lips“ (Iceberg Records/Sony BMG). Das Versprechen kann das Album We Are In there, You Are Out Here allerdings nicht einlösen. Man erkennt schon, was die sieben Dänen mit ihrem schön-hektisch getriebenen Synthie-Indie-Rock sagen wollen. Dieser manchmal etwas zu präsente Einschlag ins 80er-Jahre-pop-rockig-Hymnenhafte schmälert das Vergnügen an dieser Musik. Vielleicht weil es auf längerer Strecke ein bisschen zu beliebig wird.

Das Begleitschreiben der Single „Blood.Sweat.Tears“ (Weekender/Indigo – Download) behauptet felsenfest, dass es sich bei der Heimatstadt von Eight Legs, Stratford-upon-Avon, um ein „nie gehörtes englisches Örtchen“ handelt. Wir behaupten glatt das Gegenteil und meinen uns zu erinnern, damals in der Schule gehört zu haben, dass in dem „nie gehörten englischen Örtchen“ ein gewisser William Shakespeare geboren wurde. Was nichts daran ändert, dass wir hier mal wieder eine der neuen Röhrenjeans-Indie-Rock-Sensationen vor uns wähnen sollen. Von John Fortis (Art Brut, Razorlight) un-produzierter Indie-Pop mit 50 Prozent Libertines-Faktor und schönem britischen Akzent zum Vortrag gebracht.

Münster in Westfalen wird so langsam zum Zentrum der internationalisierten Indie-Rock-Pop-Bemühungen nationaler Bands. Jüngstes Beispiel: Ghost Of Tom Joad, die auf ihrer Single „Is This What We Call A Fronterlebnis?“ (Richard-Mohlmann-Records) 25 Prozent britisch (circa, London 2007) und 65 Prozent amerikanisch (circa, Washington D.C. 1982), zehn Prozent deutsch (der Akzent von Sänger Henrik Roger) und null Prozent nach Bruce Springsteen, dem Namensgeber ihrer Single, klingen. Aber, so fragen wir uns, braucht man das? Wirklich?

Begeben wir uns überden Umweg Münster in Westfalen vom nie gehörten englischem Örtchen Stratford-upon-Avon direkt ins sehr oft gehörte österreichische Örtchen Wien. Dort betreiben Karin Brüll (einschlägig vorbelastet durch die Künstlergruppe Geschwister Brüll) und Raumschiff Engelmayr (Manfred Engelmayr of Bulbul-fame) das Duo Good Enough For You. Die acht Songs starke „EP“ „Wer hat von meiner Installation gegessen?“ (22. Jahrhundertfuchs/Hausmusik/Indigo) wäre im 20. Jahrhundert noch locker als LP durchgegangen. Das ist aber eh wurscht, weil der sehr schön betitelte Tonträger eine der abenteuerlichsten Stilmixe der letzten paar Jahre bereithält, ohne dabei prätenziöse Kunst-Scheiße zu sein. Captain Beefheart, circa Trout Mask Replica, wird mit pluckernden Billig-Beats verschmolzen („Beam Me Onto You“), Musique concrete songdienlich verarbeitet („Blackseat Of M yCar“) plus Sonicyouthchicksonspeed-Elektro-LoFi-Minimal-Rockgalore. Und immer kommt irgendwie ein Hit dabei heraus.

Der Vorteil des internationalisierten nationalen Indie-Pop, den das Berliner Quartett Sternbuschweg auf seiner Single „Paula, ich liebe dich“ (Firestation Records/ Motor Digital) vorträgt: Der Gesang ist Deutsch und nicht! bemüht!! Englisch!!! Das kann sich aber nur leisten, werein bisschen was zu sagen hat. Peinlichkeiten im Pop werden halt nur angloamerikanischen Bands verziehen. Wer mag, kann aus der Musik von Sternbuschweg Einflüsse wie The Smiths, die frühen Tocotronic und amerikanische Post-Hardcore-Bands der Prä-Grunge-Ära heraushören. Wer das nicht will, kann sich „Paula, ich liebe dich“ auch einfach so anhören, das ist nämlich ein Hit.

Mei, diese Ween. Da haben sich Dean und Gene wieder was ganz Verrücktes ausgedacht. Und zwar „The Friends EP“ (Schnitzel Records/RoughTrade), die fünf Songs enthält, von denen keiner auf dem im nächsten Monat erscheinenden neuen Album zu hören sein wird. Den Titelsong „Friends“ haben sich Ween von den „Crazy Frog“-Machern Andreas Litterscheid und Reinhard Raith produzieren lassen. Das ist erwartungsgemäß eine billige Euro-Dance-Sauerei, die die Tanzfläche jeder Land-Disco mit dem Namen „La irgendwas“ füllt, ohne den Anflug des leisesten Ironieverdachts bei der Zielgruppe. Den digitalen Reggae-Track „King Billy“ ließen sich Ween in Jamaika von der Produzenten-Legende King Jammy zurechtschustern. Dazu gibt’s cheesy Bossa-Pop („Light Me Up“). Schlager („Slow Down Boy“) und Acid-Electro-Rock(„I Got To Put The Hammer Down“). Ween machen das, was sie am besten können: Musik über Musik.

Jetzt aber endlich, wirklich und letztlich zur „neuen Indie-Rock-Sensation“™ aus England. The Wombats kommen aus dem nie gehörten englischen Örtchen Liverpool. „The Wombats EP“ (14th Floor/Rykodisc/Rough Trade) ist ein eigens für den kontinentaleuropäischen Markt zusammengestellter Tonträger, weil: Wir popkulturskeptischen und geizistgeilbewussten Kontinentaleuropäer kaufen ja im Gegensatz zu den Popkultur-Vollcheckern drüben in England-keine Singles, sondern lieber schlechte, aber mindestens 79 Minuten und 59 Sekunden lange CDs. Wir hören die vier Singletracks „Lost In The Post“, „Moving To New York“, „Backfire At the Disco“ und „Kill The Director“. Plus: „Little Miss Pipedream“ und den „CSS Remix“ von „Kill The Director“ Fröhlicher (nicht lustiger) Punk-Pop ist das – mit memorabien Hooklines, wie wir Profis sagen. Wie Shitdisco ohne Elektro. Ein Schnäppchen noch dazu: vier Singles-A-Seiten auf einer EP.