The Strokes: Berlin, Maria am Ostbahnhof


Hits! Zugaben! Albert Hammond Jr. nackt! Vulgäre Hollywood-Stars backstage! Rituelle Selbstverstümmelungen auf der Bühne? Bei einem "Geheimkonzert" ließen die Strokes (fast) nichts aus.

Wer am Montag dabei sein wollte, mußte am Freitag früh aufstehen, oder – wie einige Gäste der Indierock-Clubnacht im „Magnet“ – gar nicht erst ins Bett gehen. Um 4 Uhr morgens trafen die ersten bleichen Fans an der Vorverkaufsstelle ein, denn das Ticketangebot für den „Secret Gig“ der Strokes war extrem limitiert. Nach nur 20 Minuten waren am Vormittag die 350 Karten weg, die Preise im Internet wenig später astronomisch. Die Nachfrage nach der einflußreichsten Band ihrer Generation wächst seit Jahren beständig, das Angebot aber sinkt und sinkt: 2002 waren es noch drei Konzerte, die die New Yorker in Deutschland absolvierten, 2003 eines, und 2004 und 2005 tauchten sie überhaupt nicht mehr auf.

Was darf man und was kann man von einem Strokes-Konzert er warten? „Wir werden den fetten Sound wie immer haben, nur daß ich jetzt ein 40minütiges Schlagzeug-Solo spiele“, verriet Fab Moretti vor den ersten Auftritten zur neuen Platte einer englischen Musikzeitschrift. Nick Valensi unterstützte ihn: „…und Jack White kommt für ein Marimba-Solo auf die Bühne.“ „Fab:“.Und dann schweben wir über dem Publikum, hängen kopfüber. und ich verletze mich selbst und blute auf die Leute.“ Nicht jeder konnte über diese Statements einer Band lachen, die ihr Publikum in der Vergangenheit bisweilen nach kaum 60minütigen Shows ohne Zugaben unbefriedigt nach Hause geschickt hat. Die Erwartungen im Vorfeld des Berlin-Konzerts waren verständlicherweise nicht allzu hoch: „Die spielen nur die neue Platte runter“, lautete das hartnäckigste – und optimistischste – Gerücht, die größten Skeptiker – die das Konzert später mit regungsloser Mine von ganz hinten verfolgten – prophezeiten gar nur „eine halbe Stunde“ mit neuen Songs.

Tatsächlich beginnt die Show mit einem neuen Song, und der schlägt ein wie eine Granate. „Heart In A Cage“ ist der Opener, ein extatischer, treibender Drei-Minuten-Dreißig-Titel mit exuberantem Gitarrengegniedel von Albert Hammond Jr. und einem trunken swingenden Mittelteil, in dem Julian Casablancas „All our friends they ‚re laughing ‚bout us“ singt, als hätte er einen Alex Kapranos verschluckt. Als nach der hektischen „Juicebox“-B-Seite „Hawaii“ bei „Evening Sun“ erstmals ein wenig die Spannung nachläßt, beginnen sich die grießgrämigen Debüt-Faschisten im hinteren Hallenteil vielsagende Blicke zuzuwerfen. Sie haben sich zu früh gefreut. Mit „The End Has No End“ beginnt ein atemloser Mittelteil, der mit „Barely Legal“, „Last Nite“, „Whatever Happened?“ und „Someday“ genug Hits enthält, um die von Anfang an tobende Menge komplett zu erschöpfen. Die Band arbeitet musikalisch perfekt wie eine Maschine – auch wenn dabei die Lockerheit bisweilen ein wenig auf der Strecke bleibt -, und Julian ist für seine Verhältnisse fast gesprächig. „Überall Krähen. Die haben mich durch die Straßen gejagt. Die hecken was aus, ich kann es spüren“, murmelt er zwischen zwei Songs. „Aber ich mag eure Stadt – mein Vaterland. Irgendwann sind hier meine Vorfahren durchgekommen.“ Im Zugabenblock spielen die Strokes „auf besonderen Wunsch eines Freundes“ (Adam Green, wie sich später herausstellte) etwas widerwillig „On The Other Side“, bevor sie sich mit „New York City Cops“, „Soma“ und „Take It Or Leave It“ verabschieden.

Wenig später backstage: Während der Garderoben-Raum geschlossen ist, „weil Albert nackt ist“, wie Manager Ryan Gentles immer wieder grinsend erzählt, fragt Adam Green die Deutschkenntnisse von Drew Barrymore ab. „Fick meyn Pimmel. Schlampe“, sagt die Schauspielerin immer wieder strahlend, bis sie von einem Muttersprachler darauf hingewiesen wird, daß „Pimmel“ ein Wort für Dreijährige ist. „Igitt, dann ist das doof, sagt sie und verzieht das Gesicht. „Was ist ein besseres Wort für ‚cock‘? Schwans? Ah. Fick meyn Schwans, Schlampe!“ Kurz darauf kommen Albert – inzwischen bekleidet – und die anderen aus der Garderobe, und nach ein paar Bieren schon lassen sich alle zum Hotel kutschieren. This Is It.